demenzjournal: Du schreibst in deinem Buch »Meine Eltern werden alt«, das Pflegen habe sich leise in dein Leben geschlichen. Was meinst du damit?
Peggy Elfmann: 2011 bekam meine Mutter mit 55 Jahren die Diagnose Alzheimer. Zu diesem Zeitpunkt war sie körperlich und geistig noch ganz fit. Zuerst änderte sich kaum etwas. Meine Eltern wohnten in ihrem Haus und wollten, dass alles so bleibt wie gewohnt. Aber schleichend übernahmen mein Bruder und ich immer mehr Aufgaben. Bei unseren Besuchen – wir wohnen beide 400 Kilometer entfernt – merkten wir zum Beispiel, dass man mal sauber machen oder etwas reparieren müsste. Dann kamen Kochen, Einkaufen, Sachen abklären, und schließlich Körperpflege, Unterstützung beim Ankleiden und Essen dazu.
Es war ein sanfter Übergang von »Ich unterstütze « bis zu »Ich muss es machen «.
Irgendwann haben mein Bruder und ich gemerkt, dass unsere Eltern ohne unsere Hilfe manche Dinge gar nicht schaffen. Wir haben dann Pflegeberatung genutzt und geschaut, welche Angebote es in unserer Gegend gibt.
Wie haben deine Eltern eure Ideen aufgenommen?
Einerseits hat Papa immer wieder gesagt: »Es ist so anstrengend!«. Mama hatte einen großen Bewegungsdrang und er musste zwischen Haushalt, Kochen, Alltag regeln immer aufpassen, dass sie nicht verloren geht. Aber wenn wir dann von Tagespflege geredet haben, war er verärgert: »Denkt ihr, ich mache es nicht gut genug? Ich habe noch alles geschafft in meinem Leben!«
Für ihn war es keine Frage, dass er sich um Mama kümmern wollte. »Eure Mutter hat mir immer den Rücken freigehalten, als ich Schulleiter war. Natürlich bin ich jetzt für sie da.« Vielleicht spielte auch eine Angst vor Veränderung hinein.
Warum ist es wichtig, frühzeitig mit seinen Eltern über die Zukunft zu sprechen?
Wenn wir bestimmte Themen – zum Beispiel den Heimeintritt – angesprochen haben, hieß es von unserem Papa oft: »Das hat noch Zeit.« Und natürlich kann niemand sagen, wie es wirklich ist, wenn die Demenz fortschreitet. Aber irgendwann konnte Mama immer weniger gut sprechen und schließlich gar nicht mehr.
Da wusste ich: Wir haben die Chance verpasst – nur weil wir immer auf dieses »Das hat noch Zeit« gehört haben.
Lange dachte ich, ich könnte Mama notfalls bei mir aufnehmen, aber ich merkte, dass das eine absolute Illusion ist und ich das gar nicht bewältigen kann. Da habe ich bereut, dass ich nie mit ihr über diese Möglichkeit gesprochen hatte.
Mama musste dann plötzlich sehr schnell ins Heim. Papa war so überfordert, dass er die Entscheidung nicht treffen konnte. Als ich den Heim-Vertrag unterschrieben habe, dachte ich im Stillen: Ich handle jetzt mit besten Absichten, aber ich weiß einfach nicht, was Mama gewollt hätte. Ist sie jetzt enttäuscht von mir?