alzheimer.ch: Zum Einstieg eine Frage zur Rassismus-Debatte: Ist es richtig, wenn jetzt Umbenennungen diskutiert bzw. umgesetzt werden, also eine U-Bahnstation in Berlin nicht mehr Onkel Toms Hütte heissen soll oder ein amerikanischer Footballclub nicht mehr Washington Redskins?
Sandra Mantz: Ich finde diese Reflexionen wichtig. Man weiss nie, was Sprache unbewusst anrichtet, ihre Macht liegt im Subtilen. Je sensibler ein Thema ist, desto aufmerksamer muss man sein. Wenn belastende Bilder in Menschen aktiviert werden, sollte man nach einer Alternative suchen, bevor man noch mehr Öl ins Feuer giesst.
Ich würde nie einen «Negerkuss» essen, sondern immer einen «Schokokuss» Ich habe eine Verantwortung dafür, was ich mit meiner Wortwahl in meinem Umfeld auslöse.
In der von Ihnen gegründeten Sprachgut-Akademie unterrichten Sie Kommunikations-Kompetenz, auch für Menschen in Pflegeberufen. Wie sind Sie als junge Altenpflegerin für Sprache sensibilisiert worden?
Durch Erfahrung. Ich hatte in meinem Beruf immer wieder mit sterbenden Menschen und deren Familien zu tun, musste Todesnachrichten überbringen. Dabei spielt die achtsame Wortwahl eine erhebliche Rolle.
Ich habe bei Mitarbeitern, aber auch Führungskräften mitbekommen, dass in solchen Gesprächen viel entgleisen kann, wenn es an Empathie mangelt. Jedes Mal, wenn ich selbst in einen Fettnapf getreten bin, habe ich etwas gelernt.
Sandra Mantz
Sandra Mantz, geboren 1968, ist gelernte Altenpflegerin. 15 Jahre leitete sie in einem bayerischen Altenheim einen Wohnbereich. 2014 gründete Mantz die Sprachgut-Akademie, wo sie Kommunikations-Trainings anbietet. Die gebürtige Odenwälderin hat mehrere Bücher verfasst, darunter Kommunizieren in der Pflege. Kompetenz und Sensibilität im Gespräch (Kohlhammer Verlag) und Pflegegespräche richtig führen. So mache ich mich verständlich (Duden Verlag).
Können Sie ein Beispiel geben?
Die Tochter einer Demenzpatientin fragt mich, warum ich dieses oder jenes bei ihrer Mama noch nicht gemacht habe. In solchen Situationen habe ich in meiner Anfangszeit oft mit Negationen geantwortet, also etwa «Das wusste ich nicht» oder «Ich war nicht da».
Angehörige wollen aber immer einen Lösungsansatz hören. Ich hätte besser sagen können: «Danke, dass Sie mich darauf aufmerksam machen.» Das ist anerkennend, wertschätzend. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich mit solchen Sätzen die Emotionen beruhigen und ein inhaltlicher Austausch möglich ist.
Wie kann man Pflegekräfte an einen sensiblen Umgang mit der Sprache heranführen?
Heime sollten ihren Pflegekräften spezielle Trainings anbieten, in denen typische Stresssituationen und stereotype Sprachmuster analysiert und Alternativen gefunden werden. Auch online lässt sich da eine Menge machen.
Oft fehlt in der Sprache der Pflegekräfte das persönliche Element: Sie sprechen von Abläufen, Rundgängen, Toilettengängen. Oder jemand stellt die Frage: Wer macht heute Gang A?
Was schlagen Sie vor?
Besser ist zu sagen: Wer versorgt heute die Bewohner von Gang A? oder Wer begleitet heute die Patienten zur Toilette? Das klingt menschlicher und wertschätzender.
Ein Klassiker ist auch die Passivsprache, etwa in den Pflegeplänen: Essen wurde viermal täglich serviert. Oder: Frau Schmidt wurde zweimal täglich mobilisiert. Persönlicher und menschlicher ist es, alle beteiligten Personen aktiv zu erwähnen, also: Pflegerin mobilisiert Frau Schmidt zweimal täglich in den Rollstuhl.