«Wie heisst du und was bringst du mir Gutes, mi amiga?», fragt mich Anna. Sie spürt meine Berührung, versteht mein einfaches Spanisch und scheint sich über die Begegnung zu freuen. Seit langer Zeit wohnt sie im «sala de mujeres», dem Frauenzimmer.
Annas ist erblindet und braucht für alles Hilfe, erzählt mir Idania. Heute von 8 bis 16 Uhr betreut sie die 14 Frauen. Viel mehr weiss sie nicht über die Geschichten der Frauen. Biografiearbeit scheint keine grosse Bedeutung zu haben im Alltag dieser Menschen – es ist wie es ist. Bekannt ist einzig, dass sie aus unterschiedlichen Gebieten Panamas kommen und keine engen Familienangehörigen haben.
Anna liegt ganz ruhig im Bett; Arme, Hände und Beine eng an den Körper gezogen, Muskulatur ist kaum noch vorhanden, ihre Haut hat einen schönen leichten Glanz vom Körperpuder. Sie trägt ein leichtes langes T-Shirt und meint auf meine Frage zu Schmerzen:
«Ja, ja ein wenig Schmerzen habe ich schon, aber was bringst du mir Gutes heute? Du kommst aus der Schweiz, oh, da ist es sicher sehr kalt, hast du mir einen Apfel mitgebracht?» Da Anna keine Zähne mehr hat, biete ich ihr für morgen eine Birne an. «Das ist sehr gut, aber bitte nicht vergessen!»
Sophie, Maria und Luisa kommentieren die laufende Fernsehsendung für die blinde Anna. Die Wichtigkeit von Verhütung wird erklärt und die Benutzung von Kondomen demonstriert. Sehr plastisch beschreiben die Frauen die TV-Bilder. Anna und andern Frauen lachen herzlich über die Kommentare.
Sophie und Maria sind Schwestern, sie leben zusammen mit ihrer Mutter im Asilo und scheinen zur guten Laune und Unterhaltung in der «sala de mujeres» viel beizutragen.
Jedesmal, wenn ich den Raum betrete, winken sie mich zu ihnen.
«Ich arbeite gerne hier, es ist eine ruhige und angenehme Arbeit und wir lachen viel», sagt Idania zu ihrem 100-Prozent-Job. Eine Aussage, die mich berührt, wenn ich an die Äusserungen vieler Kolleginnen in der Schweiz denke.