Es geht ihm um nicht weniger als eine «kulturelle Aufwertung der Pflege». Seit Lars Ruppel 2009 sein Projekt «Weckworte» ins Leben gerufen hat, hat er oft erlebt, was die richtigen Worte oder ein Händedruck bei Demenzbetroffenen auslösen können. Diese Macht der Poesie will er Pflegekräften, Angehörigen und Schüler:innen vermitteln. Denn zu einer ganzheitlichen Pflege gehört auch die Berücksichtigung der kulturellen Biografie. Was man mit Sprache erreichen kann, verrät Lars Ruppel im Interview mit alzheimer.ch.
alzheimer.ch: Du bist ein beruflicher Allrounder. Als was bezeichnest du dich?
Lars Ruppel: Ich bin poetischer Dienstleister. Überall wo man einen Sprachkünstler braucht, bin ich. In der Poesie-Begeisterungs-Show zum Beispiel wecke ich in Schüler:innen die Neugier an der Sprache. Für Vorstandsmitglieder schreibe ich Gedichte zu den Themen ihrer Konzerne. Vor der Pandemie habe ich ausserdem oft mit Pflegekräften gearbeitet.
Corona hat dich also ausgebremst?
Leider. Die Pflegeeinrichtungen müssen wieder anfangen, in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter:innen zu investieren. Doch die Pflege steckt tief in der Krise, und die Angehörigen auch.
2009 hast du das Projekt «Weckworte» ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Ich habe für ein Festival Künstler:innen eingeladen, die mir empfohlen wurden. Einer davon war Gary Glazner, ein amerikanischer Slam Poet und Gründer des Alzheimer’s Poetry Project. Gary aktiviert Menschen mit Demenz durch Poesie. Ich hatte bis anhin keine Berührungspunkte mit dem Thema und war sofort fasziniert. Also begleitete ich Gary zu seinen Workshops in deutsche Pflegeheime. Da habe ich zum ersten Mal ein Heim betreten.
Wie war das für dich?
Ganz anders. Poetry Slam findet normalerweise in einer coolen Location statt, vor erlebnishungrigen Menschen. Nun standen wir in einer uralten Pflegeeinrichtung in Marburg und unser Publikum waren Pflegebedürftige.
Es gab Volksmusik statt hippen DJ-Sound und schalen Kaffee statt Bier.
Aber das war alles viel realer, wärmer, authentischer. Keine vorgeschobene Freundlichkeit und Pseudoverbrüderung, wie man sie in der Kulturszene oft antrifft, sondern echte Menschen mit echten Gefühlen und Geschichten. Für diese Menschen wollte ich etwas tun.