Die ästhetische Einbusse bewirkt jedoch oft dringende Behandlungswünsche bei den Angehörigen. Sie sind ohne Anästhesie erfüllbar, wenn der Zahnarzt reizarm arbeitet. Die folgenden Beobachtungen entstanden im Laufe der letzten 30 Jahre im Alzheimer Kompetenzzentrum Sonnweid in Wetzikon und in der Praxis des Autors.
Die Demenz hat viele Ursachen, und ihr Verlauf ist entsprechend vielfältig. Im Durchschnitt dauert der Aufenthalt in einem Pflegeheim 3 bis 4 Jahre. Betreuung und Pflege sind ausschlaggebend für das Wohlbefinden der Betroffenen. Sie werden in der Sonnweid je nach Krankheitsstadium verschieden betreut.
Im ersten Stadium
leben die Betroffenen in Wohngruppen zu acht Bewohner. Sie haben die örtliche und zeitliche Orientierung weitgehend verloren, können aber noch verständlich miteinander sprechen und im Haushalt mithelfen. Auf Aussenstehende wirken sie noch ganz normal.
Eine Patientin scheint im Bett zu schlafen. Bei der ersten winzigen Berührung ihrer Lippen öffnet sie schnell die Augen und schaut mich an. Ganz verlegen sage ich zu ihr: «Grüezi Frau R., ich bin der Zahnarzt und möchte Ihre Zähne kontrollieren». Mit freundlicher Stimme antwortet sie: «Hier gefällt es mir. Nehmen Sie doch Platz und machen Sie es sich gemütlich!»
Auf unangenehme Reize reagieren sie ängstlich. Sie putzen sich die Zähne selbst oder lassen sich gerne dabei helfen. Süssigkeiten sind ein wichtiges Element in ihrer Ernährung. Ihr Genuss trägt unbestritten zur Lebensqualität bei, und Zucker ist ein wichtiger Nährstoff für das demente Gehirn. Mit der zunehmenden Steifigkeit der Hände und oralen Weichteile entsteht multiple Karies.
Im zweiten Stadium
befinden sich die Bewohner in der Pflegeabteilung und werden Tag und Nacht betreut. Sie benötigen Hilfe beim Ankleiden, beim Essen, beim Auffinden ihrer Zimmer usw., und oft befällt sie eine motorische Unruhe (Wandertrieb).
Sie sprechen unverständlich, aber Nahestehende können den Sinn erahnen. Unangenehme Reize wehren sie energisch ab. Mit dem Erstarren der Muskeln und Gelenke hören die Kaubewegungen auf – flüssige Nahrung wird notwendig.
Eine Patientin im mittleren Stadium kann nicht mehr verständlich sprechen und hat sich unglücklich bei einem Sturz den rechten Arm gebrochen. Sie sitzt nun behindert am Fenster mit dem geschienten Arm und betrachtet den besonnten Waldrand in der Nähe. Da sagt sie mir unvermittelt: «So möchte ich noch vier Jahre leben.»
Feste Lippen, Wangen und Zunge verunmöglichen jede wirksame Mundhygiene und erzeugen einen übermässigen, meistens nach oral gerichteten Druck gegen die Zähne. Durch die fehlende Kautätigkeit verstellen sich die Zähne und passen nicht mehr zusammen..
Die Frontzähne dienen zum Nagen (an der Bettwäsche), zum Fletschen (bei Angst vor einem Unbekannten) und zum Beissen (zur Abwehr einer unerwünschten Person).Typisch sind erste Wurzelreste bei den Molaren und grosse, labiale Frontkaries.