Vor ein paar Monaten machte ich mich auf dieser Plattform über die Demenzforschung und -prävention lustig. Ich berichtete von meinem Selbstversuch mit täglichem Champagner- und Cannabis-Konsum, von Englisch-Lektionen und dem Verzicht aufs Deodorant.
Dies und noch mehr diente alles der Demenz-Prävention. Auslöser meines nicht ganz ernst gemeinten Selbstversuches waren die vielen heilsverkündenden Informationen, die täglich auf unserer Redaktion eingehen. Dies oder das könne das Demenzrisiko um so und so viele Prozente senken, heisst es jeweils in Artikeln, in Videos, auf Websites usw.
Groteske Züge angenommen
Es ist gut, wenn wir mehr erfahren über die Demenz und ihre Ursachen. Es ist auch gut, wenn wir uns die eine oder andere gewonnene Erkenntnis verinnerlichen und unseren Lebenswandel zugunsten der Gesundheit anpassen.
Doch in unserem schnelllebigen Medienzeitalter hat die Verbreitung und Verwendung von nicht immer hieb- und stichfesten Studienresultaten groteske Züge angenommen. Relativ neu ist, dass man damit Geld verdienen kann. Zweifelhafte Geschäftemacher wissen um die Angst von Betroffenen, Angehörigen oder genetisch Vorbelasteten.
Gegen Kreditkarte servieren sie falsche Hoffnung.
Hier können wir unter anderem nachlesen, dass 90 Prozent der amerikanischen Männer und 96 Prozent der Frauen nicht genug Vitamin E aufnehmen würden. Dies führe zu Neuronenschäden und einem erhöhten Alzheimer-Risiko.
Ein weiterer Artikel preist eine Orchideenwurzel aus China an. Eine Studie habe aufgezeigt, dass diese Wurzel Prozesse stimuliere, die «Gehirnzellen neues Leben und Jugend» geben. Auf Awakening from Alzheimer’s gibt es einige Artikel in diesem Stil.
Konzentrations- und Gedächtnisschwächen können durchaus einen Zusammenhang haben mit einem Vitamin-E-Mangel. Und es ist möglich, dass eine Wurzel aus China einen positiven Einfluss hat auf unsere kognitiven Fähigkeiten.
Fragwürdig ist hingegen die Behauptung, dass über 90 Prozent der US-Amerikaner zu wenig Vitamin E aufnehmen würden (es wird keine Quelle angegeben).
Noch fragwürdiger ist es, viele solcher Erkenntnisse zu einem Heilsversprechen zusammenzupappen.
In einer Episode berichten Dale Bredesen (CEO und Professor, Buck Institute for Research on Aging) und John Faber (der Psychiater von der Amen Clinic in Los Angeles wird fälschlicherweise als Psychologe bezeichnet) von «dramatischen» Fortschritten in der Prävention und Heilung.
Wir würden nun die Morgendämmerung sehen zu einer Ära, in der Alzheimer therapierbar werde, heisst es unter anderem im 45-minütigem Video. Verschiedenste Studien werden zitiert, zahlreiche angeblich «weltweit führende Alzheimer-Experten» kommen zu Wort.
Wer eine handfeste Anleitung zur angeblich wirksamen Therapie oder Vermeidung bekommen will, wird zur Kasse gebeten.
Hinter Awakening from Alzheimer’s steht Lee Euler. Der Autor und Herausgeber ist ein Wiederholungstäter. Das gleiche Modell wendet er bei Krebs an. Auf der Website Cancer Defeated! (die Seite wurde inzwischen vom Netz genommen) geht er ebenso dreist vor wie auf Awakening from Alzheimer’s.
Euler verspricht eine Kur, die fast jeden Krebs heilen könne. Auch hier ist die Kreditkarte gefragt. Für Mitgliedschaften verlangt er zwischen 39.95 und 89.95 Dollars.
Im Video verkündet Lee Euler wirksame Therapien gegen Prostata-Krebs
Das Internet fördert wenig schmeichelhafte Informationen über Lee Euler zu Tage. Er sei ein Scharlatan, der in seinen Büchern plagiiere, heisst es. In Kommentaren wird er als Krimineller bezeichnet.
Mit der von ihm versprochenen Geld-zurück-Garantie scheint er es nicht genau zu nehmen. Enttäuschte Kunden beschweren sich in Kommentaren über lange Wege, die nicht immer zum Ziel führen.
Wer an Krebs oder Alzheimer erkrankt, ist in grosser Not. Der Fortschritt der Krankheit und der nahende Tod machen Angst.