Wirken Stoßwellen gegen Alzheimer? - demenzjournal.com

Transkranielle Stoßwellen TPS

Wirken Stoßwellen gegen Alzheimer?

Transkranielle Stoßwellentherapie bei Alzheimer

Der 82-jährige Hans-Jürgen hat Alzheimer und geht regelmäßig zur Stoßwellentherapie in die Uniklinik Bonn. Bild Screenshot RTL

Kann die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) Alzheimer aufhalten oder gar heilen? Es gibt ermutigende Rückmeldungen von Betroffenen und ihren Angehörigen. Aber noch fehlen verlässliche wissenschaftliche Nachweise.

Die Angst vor Alzheimer ist groß. Entsprechend groß sind die Hoffnungen auf wirksame Behandlungen und Therapien der Krankheit. Seit einigen Jahren weckt die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) solche Hoffnungen. In TV-Beiträgen erzählen Betroffene und ihre Angehörigen von erstaunlichen Resultaten. Zum Beispiel der 82-jährige Hans-Jürgen aus Nordrhein-Westfahlen: Bei ihm machten sich vor fünf Jahren erste Symptome von Alzheimer bemerkbar, wenige Monate später erhielt er die Diagnose.

Seit dem letzten Sommer geht er alle sechs Wochen in die Bonner Universitätsklinik und bekommt dort die TPS-Therapie. Er fühle sich danach wie neu und könne wieder besser Tischtennis spielen, sagt Hans-Jürgen in einem Beitrag von RTL. Auch andere Betroffene berichten, dass ihnen TPS helfe, im Alltag wieder besser zurechtzukommen. Erinnerung, Sprachvermögen, Orientierung und Motorik seien nach den Behandlungen deutlich besser als vorher, heißt es.

Wirksam gegen Nierensteine

Stoßwellen sind Druckwellen, die mittels Piezokeramik und Hochspannungsimpulsen erzeugt werden. Seit den frühen 1980er-Jahren werden sie erfolgreich zur Zertrümmerung von Nierensteinen angewandt. Es kamen weitere Anwendungen hinzu, zum Beispiel bei schlecht heilenden Knochenbrüchen, bei Kalkschultern, Sehnenentzündungen, Angina Pectoris und Erektionsstörungen.

Das Schweizer Unternehmen Storz Medical hat sich auf die Herstellung solcher Geräte spezialisiert und bietet auch Modelle und Programme für die Behandlung des Gehirns an. Im Rahmen einer Studie fanden 2015 an der Universität Wien Behandlungen statt. Seit 2018 ist das Gerät »Neurolith« von Storz zugelassen für die TPS-Behandlung von Menschen mit Alzheimer. Mittlerweile bieten zahlreiche Kliniken und Praxen Behandlungen an.

30 Minuten TPS kosten zwischen 350 und 500 Euro

Ähnlich wie bei einer Ultraschall-Untersuchung wird das zu behandelnde Körperteil – im Fall von TPS ist es der obere Bereich des Kopfes – mit einem Gel bestrichen. Anschließend wird mit dem »Handstück«, das von der Form her einer Taschenlampe gleicht, über den Kopf gefahren. Eine Behandlung dauert zirka 30 Minuten. Die Stoßwellen dringen bis zu acht Zentimeter tief in den Kopf ein und sollen laut den Entwicklern und Anwendern dieses Verfahrens die Blutgefäße erweitern und das Wachstum von Nerven anregen. Je nach Anbieter kostet eine 30-minütige Behandlung zwischen 350 und 500 Euro.

So wird Transkranielle Pulsstimulation TPS angewandt.
Die Stoßwellen dringen bis zu acht Zentimeter tief ins Gehirn ein.Bild Screenshot www.storzmedical.com

Voraussetzung zu einer Behandlung ist eine gründlich durchgeführte Abklärung und Diagnose. Seriöse Anbieter führen Behandlungen nur in Absprache mit den Neurologen respektive Fachärzten durch, die die Diagnose gestellt haben. Zu Beginn einer TPS-Therapie sollen die Patienten innert zwei bis drei Wochen fünf- bis sechsmal behandelt werden. Anschließend soll die Behandlung alle vier bis sechs Wochen wiederholt werden. Damit kostet die Behandlung jährlich zwischen 3000 und 6000 Euro. Die Patienten müssen dies selbst bezahlen, da die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

Experten sprechen von »überhypter« TPS-Studie

In näherer Zukunft wird sich an diesem Zustand wenig ändern, da schlüssige wissenschaftliche Nachweise zur Wirkung von TPS bei Alzheimer (noch) nicht vorhanden sind. Es sind zwar Studien durchgeführt und publiziert worden, die eine Verbesserung des Erinnerungsvermögens nachweisen. Doch dabei wurde nur eine kleinere Anzahl von Menschen (35) untersucht, und es fehlte eine Kontrollgruppe, die eine nicht wirksame Placebo-Behandlung erhält. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schläfrigkeit und Übelkeit hielten laut Studie nicht länger als einen Tag an.

Eine oft zitierte Studie wurde von der Firma finanziert, die TPS-Geräte vertreibt. Neutrale Wissenschaftler wie Masud Husain, Professor für Neurologie an der Universität Oxford, sprechen zwar von »sehr spannenden Ergebnissen«. Ob das nachgewiesene bessere Wortgedächtnis auch für Alltagserinnerungen nützlich sei, müsse noch getestet werden. Seine Oxforder Kollegin Dorothy Bishop sprach von einem »klassischen Fall einer überhypten Studie«.

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Deutsche Alzheimer Gesellschaft zweifelt an Wirkung

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat ihre Haltung zur TPS-Behandlung im Frühjahr 2022 in einer Mitteilung unter dem Titel »Halbwahrheiten und Heilsversprechen« publiziert. Sie relativiert die Aussagekraft der Studie und zweifelt an der Wirkung der Methode: Faktoren wie die Erweiterung von Blutgefäßen und die Anregung von Nervenwachstum seien nicht für die Alzheimer-Krankheit spezifisch und stünden in keinem offensichtlichen Zusammenhang zu Neurotransmittern, die bei der Alzheimer-Krankheit verändert seien.

Auf der Website der Alzheimer Forschung Initiative klingt es ähnlich: »Angesichts der nicht erwiesenen Wirksamkeit können wir die Methode nicht empfehlen. Wir begrüßen jedoch, dass der Ansatz weiter erforscht wird.«

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Was sollen nun Betroffene und ihre Angehörigen mit diesen Informationen anfangen? Sollen sie sich regelmäßig TPS-Behandlungen unterziehen? Da keine oder schnell reversible Nebenwirkungen zu erwarten sind, findet demenzworld, dass die Methode weiter angewandt und wissenschaftlich gründlich untersucht werden muss. Wer die Kosten verkraften kann und keine Wunder erwartet, kann eine Therapie in Betracht ziehen.

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