Was bringen die neuen Alzheimer-Medikamente?
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Leqembi, Donanemab

Was bringen die neuen Alzheimer-Medikamente?

Die Entscheide der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA sind höchst umstritten. adobe stock

Demenz verhindern, bevor Schäden entstehen – dieser Hoffnung geben neue Medikamente Nahrung. Doch handeln die Behörden im Sinne der Patienten, wenn sie grünes Licht dafür geben? Forscher warnen vor gravierenden Nebenwirkungen.

Einer der beiden Wirkstoffe ist in den USA bereits unter dem Handelsnamen Leqembi auf dem Markt. Auch für die Schweiz und die EU haben die Hersteller eine Zulassung beantragt. Für den zweiten – Donanemab – rechnet der Hersteller bis Ende des Jahres mit einer Entscheidung der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Ist das im Sinne des Patientenwohls?

Für Christopher Viehbacher, Chef des Pharma-Konzerns Biogen, scheint die Antwort ein klares Ja zu sein. »Der heutige Tag markiert einen Durchbruch in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit, und wir sind stolz darauf, an vorderster Front dabei zu sein, eine neue Ära von Fortschritten für eine Krankheit einzuläuten, die bisher als unheilbar galt«, schwärmte der Manager Anfang Juli, als die US-Arzneimittelbehörde FDA dem Präparat Leqembi eine vollständige Zulassung für die USA erteilt hatte.

Für seine Begeisterung hat Viehbacher gute Gründe. Sein Unternehmen hat das Präparat gemeinsam mit dem japanischen Arzneimittelhersteller Eisai entwickelt – und hofft nun auf gute Umsätze und hohen Profit.

Doch auch manche Medien feiern Leqembi als großen Erfolg. Es sei ein »bahnbrechendes Alzheimer-Medikament«, berichtete Swissinfo. Dadurch, dass das Präparat in der kleinen schweizerische Gemeinde Luterbach hergestellt wird, werde sie nun zum »Hoffnungsort von Alzheimerpatient:innen weltweit«.

Je früher die Behandlung beginnt, desto besser

Auch der Tagesanzeiger übernimmt die Botschaft vom «Durchbruch» und bezeichnet Leqembi als die »erste Arznei, die sich zur Behandlung bei Alzheimer-Kranken im frühen Stadium durchsetzen könnte«. Und je früher die Behandlung beginne, desto besser, heißt es im Blick.

Tatsächlich gehört Leqembi zu einer ganz neuen Generation von Alzheimer-Medikamenten, von denen es heißt, dass sie erstmals die Ursache der Krankheit und nicht nur deren Symptome bekämpfen. Neben Lecanemab, dem Wirkstoff in Leqembi, zählen dazu Donanemab vom US-Pharmahersteller Eli Lilly, Gantenerumab (Roche) sowie die Substanz Aducanumab, die ebenfalls von Biogen entwickelt worden ist.

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Sie alle sind sogenannte monoklonale Antikörper, die darauf abzielen, bestimmte Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn zu beseitigen, die sogenannten Amyloid-Plaques. Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass diese Plaques die Ursache der Alzheimer-Krankheit sind. Glaubt man Forschern von Firmen wie Biogen, Eisai, Pfizer oder Eli Lilly, so führen die Plaques dazu, dass Nervenzellen absterben und dadurch Gedächtnisverlust, Desorientiertheit und andere kognitive Störungen entstehen.

Deshalb kommen für eine Behandlung mit Leqembi auch nur Patienten in einem frühen Krankheitsstadium infrage, sagt Stefan Teipel, Leiter der Klinischen Forschung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). »Erkrankte mit bereits fortgeschrittenen Symptomen oder einer anderen Form der Demenz werden nicht von einer Behandlung profitieren.«

Drei Todesfälle werden in Zusammenhang mit Leqembi gebracht

Unabhängige Fachleute dagegen halten die Zulassung von Leqembi für einen gravierenden Fehler. Denn der klinische Nutzen des Präparats sei fraglich und die Gesundheitsrisiken seien erheblich, so Robert Steinbrook, leitender Mediziner der renommierten US-Verbraucherschutz-Organisation Public Citizen. Gleich zwei Mal, im Januar und erneut im Juni, hatte Public Citizen die FDA aufgefordert, Lecanemab aufgrund der schwerwiegenden Nebenwirkungen des Mittels nicht zuzulassen.

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Beispielsweise kommt es bei etlichen Patienten infolge der Behandlung zu Hirnschwellungen, die unerkannt zu lebensgefährlichen Hirnblutungen führen können. In der Zulassungsstudie wurden drei Todesfälle in Zusammenhang mit Leqembi gebracht.

Wie ernst die Nebenwirkungen sind, zeigt sich auch daran, dass die Hersteller Biogen und Eisai von der FDA dazu verpflichtet wurden, eine sogenannte Black-Box-Warnung in den Beipackzettel des Medikaments aufzunehmen. Dabei handelt es sich um die stärkste mögliche Form eines Warnhinweises, der von der FDA verhängt werden kann.

Ähnliche Probleme waren bereits vor zwei Jahren von Aduhelm, einem anderen Präparat dieser Gruppe, bekannt. Auch dem darin enthaltenen Wirkstoff Aducanumab, ebenfalls von Biogen entwickelt, war längere Zeit eine wahre Wunderwirkung zugeschrieben worden. Doch in den klinischen Zulassungsstudien hatte das Mittel versagt.

Warum tut sich die Arzneimittel-Forschung bei Alzheimer so schwer?

Noch immer ist vielfach zu lesen, dass die sogenannten Amyloid-Plaques im Gehirn eine Hauptursache der Alzheimer-Krankheit sind. Seit mehr als 20 Jahren haben fast alle Pharmafirmen bei ihrer Suche nach einem Medikament gegen Demenz darauf gesetzt, dass eine Beseitigung der Amyloid-Plaques im Gehirn das Leiden verhindern kann.

Dabei ist wissenschaftlich völlig unklar, ob es überhaupt helfen kann, die Amyloid-Plaques zu entfernen. Denn längst hat sich gezeigt: Die Menge der Amyloid-Plaques im Gehirn korreliert nicht mit dem Krankheitsbild. Schätzungsweise ein Drittel aller geistig gesunden Personen weist im hohen Alter die vermeintlich bösen Proteinablagerungen im Gehirn auf – ohne irgendwelche Anzeichen einer Demenz aufzuweisen.

Auch als Biogen einen erneuten Anlauf bei der FDA startete, sprach aus medizinischer Sicht nichts für und alles gegen eine Zulassung. Denn die von Biogen vorgelegten Forschungsergebnisse lieferten keinen Beweis für die Wirksamkeit von Aduhelm. Dennoch gab die US-Arzneimittelbehörde dem Alzheimer-Mittel im Sommer 2021 grünes Licht – und sorgte damit für einen Aufschrei unter Medizinern und Verbraucherschützern.

Namhafte Forscher fordern, Leqembi vom Markt zu nehmen

In einem öffentlichen Appell forderte eine Gruppe namhafter Forscher die FDA auf, das Mittel umgehend vom Markt zu nehmen. »Wir sagen nicht nur, dass die Zulassung wahrscheinlich die schlechteste Entscheidung war, die die FDA je getroffen hat«, so der Neurologe Peter Whitehouse von der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio. »Sie ist so schlecht, dass wir uns aktiv für den Entzug der Zulassung einsetzen müssen.«

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Aus Sicht von Bernd Mühlbauer, Professor für Pharmakologie am Klinikum Bremen-Mitte und stellvertretender Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), grenzte die Zulassung von Aduhelm sogar »ans Kriminelle«. Das Mittel sei in Bezug auf die Hirnleistung nicht nur wirkungslos. »Man handelt sich damit auch ganz scheußliche Nebenwirkungen ein.«  Bei 35 von 100 Patienten war es zu gefährlichen Hirnschwellungen gekommen. Zudem traten gehäuft Verwirrtheit, Desorientiertheit und Delirium auf.

Zwar hat Biogen im Mai 2022 den Vertrieb von Aduhelm eingestellt. Doch Mühlbauer und andere Fachleute hegen gegenüber dem nächsten Vertreter der Wirkstoffgruppe dieselben Zweifel. »Wie Aduhelm hat auch Leqembi bedrohliche Nebenwirkungen.« Er halte es für unverantwortlich, neurologisch noch fast Gesunde einer solchen Gefahr auszusetzen.

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Irene Bopp, ehemalig Leitende Ärztin Memory Clinic Waid in Zürich

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Doch der nächste Pharmakonzern ist schon mit einem ähnlich verheißungsvollen Alzheimer-Medikament am Start: Er beruht auf einem ähnlichen Antikörper mit dem Namen Donanemab und ist ein Produkt des amerikanischen Pharmakonzerns Eli Lilly. Auch dieser soll das Fortschreiten der Krankheit in einem frühen Stadium verlangsamen.

Noch im Januar hatte die FDA eine beschleunigte Zulassung für das Medikament abgelehnt. Inzwischen hat Eli Lilly neue Daten vorgelegt. Nach Ansicht der Experten von Public Citizen könnte es durchaus passieren, dass auch Donanemab demnächst eine vollständige Zulassung von der FDA erhält.

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