St. Galler Demenz-Kongress: Welche Technik braucht der Mensch?
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St. Galler Demenz-Kongress

Technik: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

Demenzkongress in St. Gallen 2023. 850 Pflegende

Zum St. Galler Demenzkongress – hier ein Bild aus dem letzten Jahr – werden über 800 Teilnehmende erwartet. Bild OST

Der 10. St. Galler Demenz-Kongress vom 13. November steht im Zeichen der Technik. Er will aufzeigen, inwiefern technische Hilfsmittel die Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen verbessern können. demenzworld ist als offizieller Medienpartner mit an Bord.

Professor Dr. Steffen Heinrich vom Kompetenzzentrum Demenz der Ostschweizer Fachhochschule ist Co-Verantwortlich für den Inhalt des Kongresses. Demenzjournal unterhielt sich mit ihm über den Einsatz von Robotern und Assistenzsystemen. Heinrich betont, dass es nicht darum geht, nur technische Trends zu präsentieren. »Wir müssen Technik an die Bedürfnisse der Menschen mit Demenz anpassen, nicht umgekehrt«, sagt Heinrich. Der Fokus müsse auf personenzentrierter Pflege liegen.

Skepsis gegenüber Technik abbauen

Pflegende und Angehörige stehen der Technik oft skeptisch gegenüber, da die Robotik in der Pflege große Missverständnisse verursacht habe. Die bisherigen Roboter waren zu unflexibel und langsam, erklärt Heinrich. »Es gibt jedoch Vorteile, wenn bestimmte Tätigkeiten an die Technik abgegeben werden, etwa Erinnerungsfunktionen oder Botengänge. Wichtig ist, dass technische Systeme an die Bedürfnisse der Menschen angepasst sind.«

Welche Technik braucht der Mensch?

Dass die Pflege in den nächsten Jahren im Zuge der Technisierung und Digitalisierung unserer Gesellschaft einem Wandel unterliegt und es neue Wege zu beschreiten gilt, dürfte unstrittig sein. Doch wie weit darf dieser Wandel gehen? Was ist erforderlich und mit welchen Technologien können Menschen mit Demenz und ihr Umfeld unterstützt werden? Was ist dabei auch moralisch zu beachten? Um diese und viele weitere Themen diskutieren verschiedene Akteure und Anspruchsgruppen am 10. St. Galler Demenz-Kongress am 13. November.

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KI-basierte Ansätze gewinnen an Bedeutung, zum Beispiel um Menschen mit Demenz bei der Tagesplanung zu unterstützen. Heinrich sieht Potenzial in der Zusammenarbeit von Forschung und Praxis, um technische Hilfsmittel weiterzuentwickeln. In den Workshops des Kongresses sollen auch Angehörige und Pflegende eingebunden werden, um deren Perspektiven in die Entwicklung einzubeziehen.

Heinrich betont, dass Technik einfach zu bedienen sein muss, damit sie angenommen wird. »Technik muss intuitiv sein, damit die Schnittstelle zwischen Benutzer und Gerät möglichst reibungslos funktioniert«, erklärt er

»Viele technische Geräte scheitern in der Praxis jedoch daran, dass sie entweder zu kompliziert zu bedienen sind oder in ihrer Konzeption unausgereift bleiben. Oft fehlt es an benutzerfreundlichen Lösungen, die den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht werden. Technik sollte so gestaltet werden, dass sie ohne umfangreiche Schulungen oder technische Vorkenntnisse genutzt werden kann.«

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist der ethische Umgang mit Technik, insbesondere bei Menschen mit Demenz. Heinrich warnt vor einer Überbetonung von Technik, die den Faktor Mensch ersetzen könnte. »Es darf nicht passieren, dass Menschen glauben, sie hätten eine echte Person vor sich, während es sich nur um eine Maschine handelt«, betont er. Gerade in der Pflege müsse der Mensch als soziales Wesen respektiert werden.

Ethik in der Techniknutzung

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist der ethische Umgang mit Technik, insbesondere bei Menschen mit Demenz. Heinrich warnt vor einer Überbetonung von Technik, die den Faktor Mensch ersetzen könnte. »Es darf nicht passieren, dass Menschen glauben, sie hätten eine echte Person vor sich, während es sich nur um eine Maschine handelt«, betont er. Gerade in der Pflege müsse der Mensch als soziales Wesen respektiert werden. Nichtsdestotrotz sieht Heinrich grosses Potenzial in der kommenden Generation sozialer Roboter, da erste Ergebnisse sehr ermutigend seien bezüglich der Interaktion von Menschen mit Demenz mit sozialen Robotern. Momentan sind 40 bis 80 Prozent des Tages von Menschen mit Demenz betreuungsfreie Zeiten, an denen keine Interaktion mit ihnen stattfindet. Robotik kann ein Puzzleteil dafür sein, diese Situation zu verbessern.

«Auf demenzjournal.com finden sich die Informationen, die ich gebraucht hätte, als ich in meiner Familie bei diesem Thema am Anfang stand.»

Arno Geiger, Schriftsteller (Der alte König in seinem Exil)

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Die nächsten 15 Jahre werden laut Heinrich entscheidend sein. Aufgrund des Fachkräftemangels wird die Pflege ohne technische Unterstützungssysteme nicht mehr auskommen. »Wir müssen sicherstellen, dass wir Technik mitgestalten und nicht einfach passiv übernehmen«, so Heinrich. Dabei gehe es nicht darum, den Menschen zu ersetzen, sondern ihn zu entlasten und zu unterstützen. Robotik und Technik kann dabei auch zur Bewegungsförderung von Menschen mit Demenz eingesetzt werden. Heinrich, der ursprünglich aus der Physiotherapie kommt, erklärt, dass Bewegung eine der effektivsten Möglichkeiten ist, den Verlauf der Demenz zu verzögern. »Bewegung kann Alltagsfähigkeiten erhalten und die Lebensqualität verbessern, mehr als jedes Medikament«, erklärt er.