Der Sprachassistent Furhat, der individualisierbare Gesichter, Mimik und Augenzwinkern darstellen kann.
Bild Ost
Die Forschung über Personen mit Demenz ist schwierig und scheint ein Tabuthema zu sein. Doch ist es nicht genau dann eine Stigmatisierung, wenn man diese grosse Gruppe an betroffenen Menschen aus der Forschung ausschliesst?
(Daniel Last) Im «SimDeC – Simulation im Bereich Dementia Care» in St.Gallen unter Leitung von Josef Huber wird an dieser Thematik geforscht. Ein spannendes Feld, das von weithin bekannten Alltagsgegenständen bis zu Hightech-Robotern alles zu bieten hat.
Der erste Eindruck wirft Fragen auf. Mit einer Werkstatt respektive einem Forschungslabor assoziiert man vieles, aber wohl kaum Normalität. Und hier im SimDeC empfängt den Besucher ein völlig normaler Eingangsbereich, der Blick schweift nach rechts in ein völlig normales Esszimmer und auch ansonsten erscheint auf den ersten Blick nicht viel speziell zu sein. Und das ist auch so gewollt.
«Das SimDeC ist eine ganz normale Mietwohnung, die wir so eingerichtet haben, dass sich möglichst alle Menschen darin wohlfühlen», erklärt Josef Huber beim Gang zur Kaffeemaschine. Der 40-jährige gebürtige Allgäuer ist seit 2020 Dozent an der Ostschweizer Fachhochschule OST und leitet das SimDeC.
«Das gemeinsame Kaffeetrinken spielt dabei übrigens eine wichtige Rolle. Es hat etwas Verbindendes und dient oftmals als Türöffner für die Gespräche. Fast jeder hat eine Meinung zu Kaffee», sagt Huber. Wir unterhalten uns in der Küche wie zu Hause. Man gewinnt den Eindruck, in einer ganz normalen Küche zu sein.
Demenz gestalten
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Doch der Eindruck täuscht. Die Technik (ver-)steckt sich im Detail. Beispielsweise neben einem Herd, der sich in speziellen Situationen entsprechend selbständig ausschaltet, oder in einem Glas, das so ganz und gar nicht nach Hightech aussieht.
Eine Membran, die wie ein Luftballon von der Flüssigkeit aufgebläht wird, drückt den Inhalt schon bei leichten Kippbewegungen an den Glasrand. Es kann daraus getrunken werden, ohne dass man den Kopf in den Nacken drücken muss – die Gefahr sich zu verschlucken oder dabei etwas zu verschütten ist minimal. Einfach und simpel, aber höchst effizient.
Hightech beim Debriefing
Beim Rundgang durch die Wohnung wird schnell klar, dass sich noch viel mehr im SimDeC verbirgt als Trinkhilfen oder Wasserkocher, die den Ausguss im unteren Bereich haben – auch hier, um ein Ausgiessen einfacher zu gestalten und speziell Menschen mit einem Tremor (Zittern) den Alltag zu erleichtern.
Im sogenannten Debriefing-Raum kommt deutlicher als in jedem anderen Raum die Hightech zum Vorschein. Von Furhat Robotics stammt beispielsweise ein Roboter, der die Interaktion zwischen Mensch und Computer auf ein noch nie dagewesenes Niveau hebt.
Abgesehen davon, dass das Gesicht des Roboters verändert werden kann (so dass er z. B. dem Gesprächspartner so sympathisch wie möglich erscheint), soll er alsbald in der Lage sein, Gespräche zu führen und mit dem menschlichen Gegenüber zu interagieren.
Quelle YouTube
Doch auch hier liegen Fluch und Segen nahe beieinander, wie Huber ausführt: Einerseits könnte ein solcher Roboter Prüfungssituationen simulieren und jeden Studenten gleich behandeln – hier spielen subjektive Empfindungen keine Rolle. Im Umgang mit einem Demenzkranken oder einer beeinträchtigten Person kann es jedoch andererseits durchaus kontrovers betrachtet werden, dass eine verzerrte Realität dargestellt wird.
Eine Wertung masst sich das Team um Huber nicht an. Im SimDeC werden Möglichkeiten aufgezeigt und Beispiele für die Praxis erlebbar gemacht.
So darf jeder selbst an der Argumentation mitwirken und die Kriterien mitbestimmen, für wen ein Roboter lebensdienlich sein kann. Als Beispiel dient ein Essensroboter, der ebenfalls im Debriefing-Raum zu finden ist:
Ist es ein innovatives Tool zur Unterstützung bei der Pflege hilfsbedürftiger Menschen oder ist es moralisch nicht vertretbar, einen sozialen Akt des Miteinanders durch einen Roboter ausführen zu lassen?
Hippe Erfindungen mit neuer Funktion
Bevor es weitergeht, folgt der (juristisch und moralisch wichtige) Hinweis auf die Kameras in der Wohnung, die speziell im Schlafzimmer integriert sind – diese zeichnen nichts ohne ausdrückliche Zustimmung der Gefilmten auf, das Thema Datenschutz ist allgegenwärtig.
Über den Sinn und Zweck der Kameras klärt Huber auf: «Wir können hier mit den Studierenden praxisnah ein Patientengespräch oder auch Sturzsituationen simulieren und diese im Anschluss entsprechend auswerten.» Die Rolle der pflegebedürftigen Personen wird dabei von Schauspielern oder den Mitarbeitenden selbst übernommen.
So kommt beispielsweise ein Hightech-Fussboden zum Einsatz, der erkennt, wenn eine Person gestürzt ist und dann einen Alarm auslöst. Doch auch hier hat die Technik ihre Tücken. So würde eine ausgelaufene Flasche Wasser den gleichen Effekt erzeugen.
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Nebst solch hochtechnischem Equipment findet sich auch wesentlich Bekannteres wieder, wie Lichtleisten im Schlafzimmer. Wo machen diese mehr Sinn, entlang dem Fussboden oder an der Decke? Welches Licht ist schlaffördernd? Wie lange bleibt es an, falls man nachts ins Badezimmer müsste? Diese und ähnliche Fragen finden sich an zig Stellen im Sim-DeC, wo an allen Ecken und Enden geforscht wird.
Doch die Struktur ist komplexer: «Wir lernen miteinander und voneinander, um ein gemeinsames Verständnis für Dementia Care, Technologie und Beratung zu entwickeln», sagt Josef Huber. Man berate in ausgewählten Einzelfällen, um eine Plattform zu entwickeln, auf der das Wissen geteilt werde.
«Wir forschen gemeinsam, um Wissen zu entwickeln und zu verbreiten. Wir verstehen uns als wichtigen Teil eines Netzwerkes.»
Josef Huber
«Denn allein können wir wenig bewirken, es geht nur im Team. Zu diesem gehören Betroffene, Angehörige, Pflegende, Hersteller und die Forschung.»
Beim Abschied wird dann noch einmal eindrücklich klar, dass es im SimDeC vor allem um die Alltagstauglichkeit der verschiedenen erforschten Anwendungen geht. Ein Motorschloss an der Eingangstüre wurde für junge und hippe Menschen entwickelt.
Doch den grösseren Nutzen können hier Personen mit Demenz erfahren, wenn sie die Wohnungstüre über den Fingerabdruck entsperren können – für den Fall, dass sie den Schlüssel vergessen haben.
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