Bei der Erforschung unseres Gedächtnisses tappte die Wissenschaft lange im Dunkeln. Mitte des letzten Jahrhunderts vermuteten Forscher unsere Erinnerungen in Eiweissmolekülen. Der Biologe James McConnell führte damals Versuchsreihen durch. Plattwürmer, die er als lernfähiger als andere erkannt hatte, zerkleinerte er und fütterte sie ihren Artgenossen.
Der gewünschte Erfolg – die fressenden Würmer würden gescheiter werden – blieb aus. Glücklicherweise, denn sonst könnten wir uns das manchmal mühsame Lernen ersparen, indem wir das Gehirn eines intelligenten Menschen essen würden. Heute ist dieser Versuch eine komische Randnotiz der Forschungsgeschichte.
Jetzt wissen wir, dass alles viel komplizierter ist, als McConnell vermutete. Jede unserer 100 Milliarden Hirnzellen ist über Nervenbahnen und Synapsen mit bis zu 10 000 anderen Hirnzellen verbunden. Wenn wir einen Menschen kennenlernen, merkt sich das Gehirn über die Sinnesorgane sein Gesicht, seinen Namen, seine Stimme usw., indem es zwischen bestimmten Hirnzellen eine bestimmte elektrische Aktivität auslöst.
So entsteht für jede Erinnerung ein einzigartiges Muster eines Zusammenspiels, ähnlich wie wenn ein grosses Orchester ein Lied spielt.
Die zur Person gehörenden Merkmale werden in verschiedenen Regionen des Gehirns abgespeichert. Treffen wir dann wieder auf diese Person, entsteht das musterartige Zusammenspiel von neuem – und wir erkennen die Person. Je öfter wir diese Person treffen, desto stärker prägt sich das Zusammenspiel ein – und desto besser erinnern wir uns an sie.