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Dunkle Zeit

Mit Licht gegen Stimmungstiefs

Frau hängt Weihnachtsbeleuchtung auf

Lichterketten sind kleine Highlights, die die dunkle Jahreszeit erträglicher machen. Bild Tim Mossholder | Unsplash

Weihnachten bringt Licht und Hoffnung in die dunkle Jahreszeit. Pflegewissenschaftler Klaus Schrage über die Wirkung von Weihnachtsbeleuchtungen, saisonale Depressionen und Lichtduschen im falschen Moment.

demenzjournal: Haben Weihnachtsbeleuchtungen und Kerzen einen positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden?

Klaus Schrage: Davon bin ich überzeugt. Beim Menschen sind Emotionen mit Erinnerungen verknüpft. Dies manifestiert sich im limbischen System, das im Gehirn unter den Stirn- und Seitenlappen liegt. Ich habe in meiner praktischen Arbeit mit Menschen mit Demenz oft erlebt, wie weihnachtliche Gerüche oder Lichter Emotionen und damit Erinnerungen auslösen. Damit wird die Stimmung verbessert.

Klaus Schrage.Bild PD

Die Tage sind sehr kurz jetzt. Viele Menschen haben in dieser Zeit wenig Antrieb und neigen zu depressiven Verstimmungen …

Die Ausschüttung von Hormonen wie Melatonin, Serotonin oder Dopamin wird durch das Licht beeinflusst. Wenn Licht ins Auge kommt, wird die Stimmung positiv beeinflusst. Das Licht hemmt auch die Erzeugung des Schlafhormons Melatonin.

Wenn man viel Licht ausgesetzt ist, ist man wacher und positiver. In den nordischen Staaten ist die Anzahl der depressiv verstimmten Menschen viel größer als im Süden.

Wie kann ich dafür sorgen, dass ich in diesen dunklen Tagen nicht in ein Loch falle?

Sie sollten das bisschen Tageslicht nutzen. Ein zehn- bis zwanzigminütiger Spaziergang in der Mittagspause hat eine positive Wirkung. Die Weihnachtsbeleuchtungen machen Sinn, weil sie die Menschen auch emotional aus dem Dunkel holen.

Der Mensch sucht nach kleinen Highlights, womit er Stressphasen und Verstimmungen überwinden kann.

Weihnachten sind ein solches Highlight, weil sie in einer dunklen Zeit Freude und Hoffnung vermitteln. Einen ähnlichen Effekt hat der Schnee. Er reflektiert und verstärkt das Licht. Er sorgt dafür, dass nicht alles Grau in Grau bleibt.

In nordischen Ländern stellen sie starke Scheinwerfer in die Gärten, die um sechs in der Frühe angehen. Macht das Sinn?

Bei jahreszeitlich bedingter Depression auf jeden Fall. Sonnenlicht hat eine Lichtstärke von über 10’000 Lux. Studien haben ergeben, dass es nicht nur auf die Lichtstärke ankommt. Die Farbtemperatur ist von entscheidender Bedeutung. Es gibt circadiane Lampen mit zirka 6000 Lux, die das Tageslicht nachempfinden. Die Leute, die in so beleuchteten Räumen arbeiten, sprechen von mehr Antrieb und besserer Stimmung. Die Blau- und Weißanteile des Lichts hemmen die Ausschüttung von Melatonin – also braucht es morgens andere Farbtemperaturen als abends.

Klaus Schrage

ist Pflegewissenschaftler und arbeitet im ambulanten psychiatrischen Dienst der Alexianer in Münster. Er hat mehrere Bücher zur Altenpflege verfasst. In seinem neusten Buch untersucht er den Effekt von Lichttherapie bei Menschen mit Demenz.

Sie haben Pflegewissenschaften studiert. Das ist ein sehr weites Feld. Warum haben Sie sich dem Thema »Licht« angenommen?

Ich arbeite seit 15 Jahren in der Psychiatrie – unter anderem arbeitete ich im Nachtdienst auf einer gerontopsychiatrischen Abteilung. Dort stellte ich fest, dass viele Menschen mit Demenz nachts aus ihren Zimmern kamen.

Sie dachten, es sei Tag, weil ihr Rhythmus gestört war. Ich fragte mich, wie ich diesen circadianen Rhythmus besser steuern kann. Ich informierte mich, ich las internationale Studien. Ich fragte mich, ob die Lichttherapie, die bei Depression angewandt wird, auch Menschen mit Demenz helfen könnte.

Haben Sie Antworten gefunden?

Viele Demenzabteilungen haben nur wenig Tageslicht. Weil die Betreuenden wenig Zeit haben, kommen die Bewohner kaum nach draußen. Also müssen wir das Tageslicht in die Klinik bringen.

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Es gibt circadiane Decken- und Wandbeleuchtungen, die ab dem Nachmittag das weisse und blaue Licht heraus filtern und ein warmes Licht erzeugen. So werden die Menschen gegen den Abend hin müde. Man wendet diese Methode heute auch in Flugzeugen an.

Haben Sie bereits Abteilungen mit diesen Lampen ausgestattet?

Ich habe ein Konzept gemacht zu den technischen und therapeutischen Grundlagen. Es gibt Evidenzstudien zur Wirkung auf Menschen mit Depression – aber leider keine über die Wirkung auf Menschen mit Demenz.

Im Rahmen meines Master-Studiums in Personalmanagement habe ich eine Projektplanung gemacht zu einem Evaluationsbogen. Dieser Bogen soll helfen, die Wirksamkeit solcher Beleuchtungen zu untersuchen.

Ich will wissen, ob Menschen mit Demenz dank solcher Beleuchtungen nachts weniger unterwegs sind und besser schlafen. Wenn wir dieses Ergebnis haben, können wir vielleicht solche Beleuchtungskonzepte in verschiedenen Häusern verwirklichen. Mein neues Buch soll die Institutionen dazu ermuntern, solche Anlagen zu installieren und evidenzbasierte Forschung durchzuführen.

Weihnachtlich geschmücktes Haus
Ein echter Hingucker ist dieses festlich geschmückte Haus in Lachen (Schweiz).Bild Martin Mühlegg

In Ihrem Buch gibt es auch eine Kostenaufstellung. Eine circadiane Lampe kostet 400 bis 1160 Euro. Es kostet also viel Geld, wenn man eine ganze Abteilung damit ausleuchten will.

Die LED-Technik wird in Zukunft günstiger werden. Wenn mehr circadiane Lampen gekauft werden, wird der Preis weiter sinken. Menschen mit Demenz stürzen oft in der Nacht. Dies kann einen Oberschenkelhalsbruch und vielleicht auch noch einen Dekubitus (Wundliegegeschwür) zur Folge haben.

Man spart beim Einsatz von beruhigenden und schlaffördernden Medikamenten.  Wenn die Menschen mit Demenz besser schlafen, könnte auch Ihre Betreuung tagsüber weniger aufwendig sein. Ausserdem spart man mit solchen Anlagen viel Strom. Unter dem Strich kann sich eine solche Anlage  also auszahlen.

Einer der Hauptgründe für einen Umzug von zu Hause ins Heim ist die Nachtaktivität. Können Menschen mit Demenz länger zu Hause bleiben, wenn ihre Wohnung mit circadianen Lampen ausgestattet ist?

Es wäre ein gutes Setting, das man erforschen müsste. Die Ausstattung einer Wohnung würde wohl heute um die 1500 Euro kosten – und könnte vielleicht zu einem Teil über die Krankenversicherung finanziert werden.

Sie beschäftigen sich mit der Wirkung des Lichtes. Hat dies einen Einfluss auf Ihre persönlichen Lebensgewohnheiten?

Ja, ich habe einiges angepasst. Zum Beispiel stelle ich mein Smartphone so ein, dass ab 19 Uhr die blauen und weissen Lichtanteile herausgefiltert werden. Ich schaue kurz vor dem Schlafen keine aufregenden Filme mehr und dimme das Licht herunter.

Weihnachtsbeleuchtungen wie jene vor der Busskirch in Rapperswil-Jona (Schweiz) wirken sich positiv aufs Gemüt und auf die Gesundheit aus.Bild Martin Mühlegg

Die volle Beleuchtung des Badezimmers während des Zähneputzens hat die Wirkung einer Tasse Kaffee – also verzichte ich auf dieses starke Licht. Etwas frische Luft am Abend wirkt sich ebenfalls positiv aus auf den Schlaf.

Die Beleuchtung meines Badezimmers ist sehr hell, weiße Fliesen verstärken diesen Effekt. Soll ich dort abends eine Kerze anzünden?

Ich empfehle Nachtleuchten, die man in eine Dose stecken kann. Dies macht auch bei älteren Leuten Sinn, wenn sie in der Nacht auf die Toilette müssen. Wenn ich spät abends oder in der Nacht in einen hell beleuchteten Raum gehe, werden wachmachende Stresshormone ausgeschüttet – und ich werde Schwierigkeiten haben, wieder einzuschlafen.

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Sie haben mit Ihrem Buch die Grundlagen für weitere Forschungen gelegt. Wie soll es nun weitergehen?

Für mich ist es wichtig, dass die Wissenschaft den Menschen helfen kann. Vielleicht wird die Arbeit ein Anstoß sein, dass nun einige Institutionen solche Anlagen installieren und beforschen. Wenn es positive Resultate gibt, werden noch mehr circadiane Beleuchtungen installiert.

Das ist meine Intension. Wissenschaft ist aber ein Wagnis. Vielleicht wird man nicht nachweisen können, dass circadianes Licht das Sturzrisiko senkt. Doch wegen der Mulitimorbilität in unserer Gesellschaft werden circadiane Beleuchtungen meiner Ansicht nach in der Zukunft zu einem zentralen Thema werden.

ARD-Beitrag zu Licht und Melatonin

Quelle ARD/YouTube