alzheimer.ch: Herr Monsch, immer öfter ist in der letzten Zeit zu lesen, eine Parodontitis könnte Alzheimer auslösen. Stimmt das wirklich?
Andreas Monsch: Man muss sehr aufpassen, was die Studien zeigen und darf das nicht falsch interpretieren. Dass Alzheimer durch eine Infektion verursacht wird, ist eine der derzeit intensiv diskutierten Theorien. Forscher schlagen als Ursache diverse Bakterien vor, etwa Borrelien aus Zecken, den Darmkeim Helicobacter oder Chlamydien aus der Lunge.
Hinweise auf eine Infektion mit den Keimen fanden sich bei Alzheimer-Patienten. Das heisst aber noch lange nicht, dass die Bakterien auch ursächlich für Alzheimer verantwortlich sind. Viele Menschen haben Borrelien, Helicobacter oder Chlamydien und viele Menschen haben Alzheimer. Das eine muss mit dem anderen nicht zwingend etwas zu tun haben.
Und was ist mit der Parodontitis?
Eine Parodontitis – also eine Entzündung, die zur Zerstörung des Zahnhalteapparates führt – wird hauptsächlich von dem Bakterium Porphyromonas gingivalis verursacht. Forscher aus London haben 2016 eine Studie mit 52 Alzheimer-Patienten gemacht, 20 von ihnen litten unter einer aktiven Parodontitis.
Die kognitive Funktion der Patienten mit Parodontitis verschlechterte sich im kommenden halben Jahr viel mehr als bei denen ohne Parodontitis. Die Forscher führten das auf eine Entzündung im Körper zurück.
Dann gab es noch Versuche mit Mäusen, die in diese Richtung wiesen. Die Forscher schlossen, dass eine Infektion des Gehirns mit Porphyromonas gingivalis in die Entstehung von Alzheimer involviert sein könnte.
Was macht der Keim im Hirn?
Porphyromonas gingivalis produziert schädliche Stoffe, so genannte Gingipains. Die sollen offenbar die Nervenzellen im Hirn zerstören. Das jedenfalls sagt die Arbeitsgruppe um Stephen Dominy aus Kalifornien. Er ist zurzeit einer der wichtigsten Forscher was die Parodontitis-Hypothese angeht.
Im Hirn und in der Hirnflüssigkeit von Alzheimer-Patienten fand das Forscherteam Erbinformationen von Porphyromonas gingivalis. Dominy zielt deshalb auf die Gingipains als Ziel neuer Alzheimer-Medikamente.