Wir können diesem Bedürfnis nur dann gerecht werden, wenn wir die scharfen Grenzen der Zuständigkeit für verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten möglichst weit auflösen. Pflegende erfüllen die gestellten Aufgaben bei einer betreuten Person möglichst umfassend.
Respekt
Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz basieren auf Respekt. Respekt einem anderen Menschen gegenüber – unabhängig davon, wie sich dieser Mensch verhält und welche Veränderungen er zeigt. Dieser Respekt muss in jedem von uns tief verankert sein – im Denken, Reden und Handeln.
Fachlichkeit
Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz benötigen pflegerische Fachlichkeit – in all ihren Ausprägungen: erfassen, analysieren, bewerten, ausführen, wissen, dokumentieren, informieren, organisieren, zusammenarbeiten, handeln, verbessern, führen, einschätzen und so weiter.
All diese Fähigkeiten sind nötig, um der Verantwortung für einen anderen Menschen, der diese für sich selbst nicht mehr übernehmen kann, gerecht zu werden. Sie sind aber im Hinblick auf die jeweils dafür einzusetzende Zeit unterschiedlich zu gewichten.
Akzeptanz
Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz widersprechen in mancher Hinsicht pflegerischen Grundabsichten – und dies muss akzeptiert werden.
Hervorzuheben sind hier die beiden Gesichtspunkte der Unheilbarkeit – Wir müssen akzeptieren, dass wir das Fortschreiten der demenziellen Veränderungen in den allermeisten Fällen nicht aufhalten können, und der Verabschiedung aus unserem System von Normen und Regeln – wir müssen die «neuen» Normen und Regeln, welche sich die Betreuten selbst geben, als für sie gültig akzeptieren – auch wenn sie unseren Vorstellungen häufig widersprechen.
So weit zu den Ansprüchen, beziehungsweise zu dem, was Pflegende in der Betreuung von Menschen mit Demenz erwartet. Nun zu der Frage, wie die heutige Ausbildung auf diese Realität vorbereitet.
Mit welchem Bild von Pflege und mit welchen Kompetenzen treten neue Pflegefachpersonen heute in den Beruf ein?
Der aktuell gültige Rahmenlehrplan beschreibt als Teil des Berufsprofils die beruflichen Aufgaben der Pflegenden in zehn Arbeitsprozessen. Ein Blick auf die darin aufgeführten Tätigkeiten zeigt Folgendes:
Die diplomierte Pflegefachperson erledigt gemäss Rahmenlehrplan nur 3 bis 4 Prozent ihrer Arbeiten mit den Händen. Der Rest ist Kopfarbeit.
- führt ein Assessment durch
- erfasst und beurteilt die Situation, die Biografie, die Krankengeschichte
- schätzt den Pflegebedarf ein
- identifiziert und beurteilt Gesundheitsprobleme
- stellt Pflegediagnosen
- setzt Ziele und plant Pflege
- organisiert pflegerische Interventionen, führt sie durch
- überwacht auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit Hilfe evidenzbasierter Kriterien
- überprüft die Wirksamkeit
- beendet den Pflegeprozess
- gestaltet Aus- und Übertritte
- dokumentiert Aspekte des Pflegeprozesses
- schafft und unterhält eine empathische und vertrauensfördernde Beziehung
- gewährleistet den Informationsfluss
- bildet sich weiter
- nimmt Lehr- und Anleitungsfunktion wahr
- übernimmt die fachliche Führung
- nimmt berufspädagogische Aufgaben wahr
- arbeitet effizient intra- und interprofessionell zusammen
- gestaltet Rahmenbedingungen
- trägt zum effizienten Ablauf administrativer Prozesse bei
Welches Bild einer Pflegenden wird hier skizziert? Welches Bild von Pflege hat die Person, die während ihrer Ausbildung all diese Fähigkeiten entwickelt hat, oder zumindest entwickeln sollte? Ist das die Pflegende, welche den oben beschriebenen Anforderungen gerecht werden kann und will?
Wir glauben nicht daran. Wir sehen in diesem Berufsprofil zu viel Kopf und zu wenig Hand und Herz. Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist auch Kopfarbeit und fordert intellektuelle Fähigkeiten, dies wollen wir nicht anzweifeln.
Pflege der Zukunft – alle oben, niemand unten
Beziehung kann man nicht in einem Gestaltungskurs lernen
alzheimer.ch/youtube
Dennoch: Das heutige Berufsprofil zeichnet ein Bild, das die intellektuellen Fähigkeiten zu stark gewichtet und die ausführenden «handwerklichen» Fähigkeiten nur noch in einem Nebensatz erwähnt.
Wir erkennen hier das Bild einer Pflegenden, die organisiert, plant, verantwortet, überwacht, bewertet, dokumentiert, gestaltet, führt – und dann irgendwann dazwischen auch noch eine pflegerische Tätigkeit ausführt, bei der sie tatsächlich Kontakt zu der gepflegten Person hat.