«Wir nehmen uns gegenseitig zu viel Kraft» - demenzjournal.com
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Demenz Meet

«Wir nehmen uns gegenseitig zu viel Kraft»

Wir sprachen mit Daniel Wagner, dem Gründer der Demenz Meets, über die Zukunft des Events und darüber, was sich ändern müsste, damit die vielen engagierten Stimmen in der Schweiz auch von der Politik stärker wahrgenommen werden.

alzheimer.ch: Daniel Wagner, was hat dich dazu bewogen, einen dritten Demenz Meet in Zürich zu organisieren, finanziell kann das bisher kaum aufgegangen sein?

Daniel Wagner: Der letztjährige Demenz Meet war tatsächlich sehr defizitär – eigentlich Grund genug damit aufzuhören. Aber es waren auch drei sehr bewegende Tage. Die Emotionen hinterliessen ihre Spuren, ich spürte noch Tage danach, wie sehr beseelt ich durch meinen Alltag hüpfte.

Die Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Besuchern gleichermassen, haben mich dazu bewogen, die dritte Austragung anzugehen. Finanziell haben wir dieses Jahr eine klassischere Herangehensweise gewählt, wir haben breit gestreut um Spenden und Unterstützung gebeten, entgegen meiner ursprünglichen Absicht, den Demenz Meet vor allem durch die Eintritte zu finanzieren.

Hat es funktioniert?

Es hat so gut und vor allem so schnell funktioniert, dass ich mehr Zeit hatte, mich auf das Programm und die Gestaltung des 3. Demenz Meets zu konzentrieren. Ich habe die Hoffnung, dass wir durch diese besseren Bedingungen nochmals mehr Leute ansprechen werden.

Danach werde ich sicher hart mit mir ins Gericht gehen, um herauszufinden, was die letzten drei Jahre wirklich gebracht haben.

Aber du wolltest doch expandieren und den Demenz Meet mehr in Richtung Festival entwickeln …

Von der Idee eines Zirkuszelts auf dem Zürcher Sechseläutenplatz bin ich weggekommen. Aber: Die Idee an sich hat expandiert, es gibt nun auch Meets in Basel und in Wien.

Übrigens hat der Demenz Meet in diesem beschaulichen, bunten Rahmen durchaus den Charakter eines kleinen Festivals. Es hat sich aber gezeigt, dass ein Demenz-Event viel schwieriger zu etablieren ist als ich gedacht hatte, denn die üblichen Regeln einer Veranstaltung mit vielen wiederkehrenden Teilnehmenden gelten hier nur begrenzt: Man fängt immer wieder bei Null an.

Das liegt wahrscheinlich am Thema: Irgendwann haben es die Angehörigen einfach gesehen. Andererseits fasst die Idee auch in anderen Regionen und Ländern Fuss. Das wiederum zeigt, dass ein Bedürfnis vorhanden ist. Aus Deutschland habe ich auch schon einige Anfragen bekommen, es kann also durchaus sein, dass diese Art der Expansion weitergeht.

Daniel WagnerBild PD

Mit welchen Mitteln?

Damit so etwas eine langfristige Durchdringungskraft hat, muss man in der digitalen Welt, in den Sozialen Medien präsent sein, Community Management und Community Building sind die Stichworte. Dann könnte man vielleicht in Zukunft auch gesellschaftspolitisch Einfluss nehmen, das wäre die nächste Ebene.

Wird dieser Demenz Meet also politischer?

Eine meiner versteckten Forderungen an die Angehörigen: Sie müssen selbstbewusster, mutiger, lauter und fordernder sein. Ich weiss, dass es frech von mir ist, so etwas zu verlangen, denn die Begleitung eines Menschen mit Demenz (ver)braucht unglaublich viel Kraft, Ressourcen und Geld.

Dennoch sollten wir vermehrt versuchen, mit einer gemeinsamen Stimme zu reden, Betroffene, Angehörige und Fachleute. Mir fehlt diese Stimme in der Schweiz.

Es gibt zwar etliche Organisationen, die alle etwas machen, ja sehr viel Nützliches machen, und es gibt viele engagierte Einzelpersonen, die wütend und unzufrieden sind mit der aktuellen Situation und die Faust im Sack machen.

Aber mir fehlt die gemeinsame Richtung in der Szene, wir nehmen uns gegenseitig zu viel Kraft, unsere Engagements verpuffen. Das ist sehr schade, vor allem angesichts der wachsenden gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedeutung des Themas.

Kann sich das ändern?

Ich bin zuversichtlich gestimmt, dass sich das ändern kann. Mit dem Demenz Meet versuche ich diese Entwicklung etwas zu kanalisieren, indem ich eine Plattform zur Verfügung stelle: Ein Gefäss, verbunden mit der Aufforderung, es zu nutzen: Schauen wir einfach mal, was daraus entsteht. Es tut sich einiges, und wie gesagt, ich habe ein gutes Gefühl.

Und genau so soll sich der Demenz Meet entwickeln: Viel breiter abgestützt, mit wichtigen Playern aus der Szene, die bereit sind, einen Teil der Verantwortung mitzutragen. Eben weil ich verhindern will, dass die Zukunft der Meets schliesslich an irgendwelchen kleinkarierten Grabenkämpfen scheitert.