Wie ist es zum Podcast »Chopfsach« gekommen?
Ich arbeite in der Gerontologischen Beratungsstelle des Stadtärztlichen Dienstes in Zürich und als Dozentin in verschiedenen Bildungseinrichtungen. Die Idee eines Podcasts kam mir 2023, weil ich gemerkt habe: Ich erzähle in meinen Schulungen, in der Beratung und im Freundeskreis immer wieder das Gleiche. Zusammen mit der Podcastschmiede und Verena Bosshard ist die Idee dann zum Leben erwacht. Mit dem Podcast möchten wir Wissen für alle zugänglich machen.
Was erzählst du denn immer wieder?
Zum Beispiel, was der Unterschied zwischen Demenz und Alzheimer ist. Oder dass es fast 100 verschiedene Demenzformen gibt. Das erkläre ich immer wieder – auch Fachpersonen, was mich manchmal erstaunt. Das Ziel des Podcasts ist es, Orientierung zu geben, Interesse zu wecken und Mut zu machen, sich dem Thema zu nähern.
Zur Person
Judith Kronbach ist Pflegefachfrau, Gerontologin, Dozentin und Demenzexpertin. Sie begleitet seit mehr als 15 Jahren Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Als Mitarbeiterin der Gerontologischen Beratungsstelle SiL des Stadtärztlichen Dienstes Zürich weiss sie genau, welchen Herausforderungen Betroffene und Angehörige gegenüberstehen und welche Unterstützungen sie brauchen. Seit 2024 vermittelt sie ihr Wissen im Podcast »Chopfsach«, der von der Plattform Mäander, Alzheimer Schweiz, der Paulie und Fridolin Düblin Stiftung (PFD) und Lundbeck unterstützt wird. Produziert wird er von der Podcastschmiede in Winterthur.
Welche Menschen möchtest du mit dem Podcast erreichen?
Ich will Menschen erreichen, die keine Kapazität mehr haben, Fachbücher zu lesen, da sie mit der Krankheit Demenz sehr beansprucht sind. Ich habe gemerkt, dass einfache, zugängliche Informationen oft fehlen. Mit dem Podcast schaffen wir eine Möglichkeit, Informationen auf unkomplizierte Art und Weise zu vermitteln. Ich kann die kurzen, alltagsnahen Episoden bequem hören – zum Beispiel auf dem Heimweg oder beim Putzen.
Wie läuft eine Folge ab?
Wir starten meist mit einer Geschichte, um ins Thema einzuführen, erzählt durch Verena. Dann folgt ein Interview mit einer Fachperson, und ich bringe Beispiele aus der Praxis ein. Es geht immer auch um konkrete Tipps. Jede Folge behandelt ein Thema: Frontotemporale Demenz, BPSD, Heimeintritt, rechtliche Fragen. Wir haben bereits drei Staffeln produziert, und es sollen noch mehr werden.
Wie kommt der Podcast bei den Hörern an?
Wir bekommen immer wieder spannende Rückmeldungen – teils ganz persönlich. Zum Beispiel von meinem Nachbarn. Er ist zwischen 70 und 80 und hörte die Ausgabe, in der ich unter anderem sagte, man solle im Gespräch mit Menschen mit Demenz 20 Sekunden auf die Antwort warten. Er sagte mir, er habe das mit seinem demenzkranken Kollegen ausprobiert – und er habe eine Antwort bekommen. Das sind kleine Dinge, die mich sehr freuen.
Hast du das Gefühl, dass die Demenz-Aufklärung in den letzten 20 Jahren Fortschritte gemacht hat?
Ja und nein. Es gibt heute mehr Angebote und politische Initiativen. Aber die Stigmatisierung ist nach wie vor stark. Viele Menschen ziehen sich zurück, wenn jemand im Umfeld erkrankt. Aus Unsicherheit, Überforderung oder eigener Betroffenheit.
Was braucht es aus deiner Sicht, damit sich das ändert?

Das ist ein komplexes Thema. Auch das nötige Wissen abzuholen ist schwierig, weil es viele verschiedene Formen von Demenz gibt, mit vielen verschiedenen Verhaltensveränderungen und Symptomen. Ich werde immer wieder konfrontiert mit Scham und der Angst der Menschen, selbst an Demenz zu erkranken. Gute Information hilft. Je mehr Informationen ich habe, desto faszinierender wird der Austausch mit Menschen mit Demenz – weil mir dann der Kontakt gelingt und ich eine Beziehung aufbauen kann.
Als »zugehende Beraterin« gehst du zu Menschen, die keine Beratung angefordert haben. Ich kann mir vorstellen, dass viele skeptisch auf dich reagieren. Wie gewinnst du das Vertrauen dieser Menschen?
Die Beziehung ist das A und O. Ohne Beziehung kann ich weder beraten noch helfen. Das gilt für mich in der Beratung wie für Angehörige im Alltag. Vertrauen entsteht durch Begegnung auf Augenhöhe, durch echtes Interesse und das Wahrnehmen kleiner Dinge. Ich nehme zum Beispiel auch mal den Müllsack mit runter oder bringe etwas zu essen mit, wenn jemand nichts im Haus hat. Das sind oft die Momente, die eine Tür öffnen.
Welche Themen beschäftigen die Menschen, die du besuchst?
Viele Angehörige fragen sich: Was ist noch normal? Wann braucht es mehr Unterstützung? Wie gehe ich mit Ablehnung, Ängsten, Aggression oder Schuldgefühlen um? Menschen mit Demenz wiederum wollen meist keine Veränderungen. Sie sagen: Ich bin doch gesund, die Welt ist komisch geworden. Das Symptom der fehlenden Krankheitseinsicht gehört oft zur Erkrankung.