Was wünschen sich Menschen mit Demenz von ihrem sozialen Umfeld? Wer Betroffenen diese Frage stellt, wird von den Antworten wenig überrascht sein. Aus einer Umfrage in Wien:
«Irgendwann hoffe ich, dass einmal ein paar Leute raufkommen und wir essen und trinken und sprechen und so.» (Eugen W.)
«Trotz Demenz — wir lachen und singen und freuen uns aufs Leben.» (Maria S.)
«Ich habe immer gedacht, dass ich meinen Aufgaben nachkommen kann, wenn jemand Hilfe braucht.» (Gerhard S.)
So oder ähnlich würden wir wohl alle antworten. Kein Wunder, denn: «Ich bin wie du, nur irgendwie zerbrechlicher», so Demenzaktivistin Helga Rohra. Die grundlegenden Bedürfnisse ändern sich mit demenziellen Symptomen nicht wesentlich. Man könnte hier folgende herauslesen: Gemeinschaft und Zugehörigkeit, Integrität und Selbstwert, Freude und Lachen. Die Verletzlichkeit, die eine Demenz mit sich bringt, erfordert aber sehr wohl ein Mehr an Achtsamkeit und Rücksicht.
Dass dies nicht immer klappt, zeigen folgende Aussagen aus der Umfrage:
«Meine Frau ist sehr auf Gäste bedacht. Aber ich ziehe mich dann zurück, weil ich dauernd die Enttäuschung und Misserfolge habe.» (Gerhard S.)
«Ich habe einmal um Hilfe gebeten und wurde abgelehnt. Jetzt mache ich alles selber.» (Frau G.)
Auf Verletzung und Abweisung folgt instinktiv Rückzug. Dazu tragen bei Demenz gleich mehrere Faktoren bei: Angst vor den Veränderungen, die man selbst bemerkt, die aber schwer einzuordnen und abzuschätzen sind. So hat etwa Archie Noone (heute Präsident der schottischen Alzheimer Working Group) nach der Diagnose drei Wochen lang sein Haus aus Angst nicht verlassen. Später löst manchmal das Nicht-Erkennen von Personen oder Situationen Angst aus, man glaubt sich von Fremden umgeben oder an fremden Orten.
Würde und Scham
Eine mächtige soziale Hürde ist die Scham über Fehlleistungen. Dabei reicht es oft schon, wenn Menschen mit Demenz sich in manchen Umgebungen als störend wahrnehmen – oder wenn andere zeigen, dass sie besser nicht mehr kommen sollten. Die Scham ist besonders beängstigend für eine Generation, für die «Würde den Kern ihrer Identität ausmacht», wie es die englische Autorin Nicci Gerrard beschreibt.
Nun leben viele Menschen mit Demenz nicht im sozialen Vakuum, sondern in einem mehr oder weniger engen Verbund mit Angehörigen. Ob ihre sozialen Bedürfnisse erfüllt werden, hängt daher auch vom Umgang der Bezugspersonen mit den Krankheitssymptomen ab. Auch sie empfinden Angst und Scham – oft verschärft durch zu wenig Wissen über die Erkrankung und passende Kommunikation.
So schildert Albert G. den Umgang seines Bruders mit dem demenzkranken Vater: «Er hat sehr viel versucht, um mit dem Vater über früher zu reden, Fotos ausgedruckt und Geschichten erzählt, um an ihn wieder heranzukommen.
Aber das hat überhaupt nicht funktioniert, und dann ist er immer öfter weggeblieben. Ich habe von Anfang an Kurse gemacht, um zu verstehen, wie mein Vater sich innerlich verändert. Er hat mich nicht immer als Sohn erkannt, aber er hatte immer Vertrauen zu mir.»