Wöchentlich empfängt die Validationstrainerin Margrit Sigg eine Gruppe von Bewohner:innen in einem Demenzzentrum. Auf Wunsch von alzheimer.ch diskutierten in diesem Rahmen neun Frauen und ein Mann über Wünsche, Glück und Zufriedenheit:
Margrit Sigg: Wir möchten übers Glück reden. Was brauchen Sie zum Glücklichsein?
Dass die Kinder kommen.
Wie geht es Ihnen, wenn sie wieder gehen?
Dann bin ich traurig.
Wie kann man in einem solchen Moment wieder zufrieden werden?
Wenn man das loslässt, was einen hindert. Ich kann es aber nicht aufzählen.
Kann es sein, dass einem das Glück fehlt?
Ich hatte dann einfach das Gefühl, es ist zu viel gewesen – mein Mann in der Fremde. Aber er ist nicht mit Frauen gegangen. Das möchte ich jetzt gleich sagen, nicht dass ihr Ideen habt. Ich habe ihn vermisst. Aber wir haben auch Freude gehabt, als wir uns wieder gesehen haben. Ich habe nie komisch gedacht, wenn er nicht da war. Ich hatte einfach Vertrauen.
Wie kann man das Vertrauen aufbauen?
Es ist schwierig, in dem Sinne, dass man ihm vertraut. Und wenn man nach Hause kommt, und der andere sagt «ja, natürlich» und lügt einen an, dann ist es nicht besonders erfreulich.
Man muss nicht immer alles wollen, was man gerade gerne hätte. Das geht gar nicht.
Ich will einfach zufrieden sein. Das muss man selber finden. Man muss daran arbeiten. Aber dann ist es gut.
Wie arbeitet man daran?
Dass man nicht alles erpresst quasi und meint, man müsse jetzt.
Man muss gar nichts. Es kommt, wenn wir alle an Christus glauben, ist es noch mehr, dass es zu jemand anderem kommt.
Wenn man einen Glauben hat, bekommt man die Kraft.
Ja, das würde ich sagen. Man kann sich nicht hinsetzen und sagen «jetzt renne ich durch die Gassen». Aber man hat dort reingeschaut, und man kann das wieder, und dann fängt man an zu schauen, was man davon nehmen kann. Es gibt Leute, die sagen «was, gehst du wieder turnen». Ja, das tut mir gut, und wenn du mitkommen willst, kommst du mit, und sonst lässt du es bleiben.
Gibt es Sachen, von denen Sie genug haben?
Ja, ich würde sagen, das gibt es bei allen Leuten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand 50 Jahre lang nie einen Wunsch hat.
Was ist Ihr Wunsch?
Das können kleine Sachen sein, die einem plötzlich wieder in den Sinn kommen oder so. Wo man mal gewesen ist. Jetzt habe ich gerade nichts im Sinn.
Aber es kommt manchmal, wenn ich es nicht will. Aber es geht immer wieder.
Was ist, wenn einen das Glück verlässt?
Einmal ist es vorbei. Aber jetzt haben sie Grippe, darum kommen sie nicht.
Wenn man krank ist, hat einen das Glück verlassen.
Jaja. Zum Glück ist das bei uns nicht auch, darum ist es besser, dass sie nicht kommen, wenn sie den Husten haben.
Kann man glücklich sein, wenn man krank ist?
Wenn man gepflegt wird, ist man dankbar. Sie helfen, wenn es einem nicht gutgeht.
Was erwarten Sie von jemandem, der Sie pflegt?
Ich weiss es jetzt nicht im Moment, aber es kommt mir wieder in den Sinn. Denn jeder muss ja mal aufpassen, dass es nicht schlimm wird. Das ist dann nämlich der Arzt.
Was ist schlimm?
Wenn Sie nicht mehr atmen oder nicht mehr recht gehen können, oder es zum Essen nicht mehr reicht. Das ist das, was ich weiss von denen, die in meinem Haus, also in meinem Haus wohnen. Ich sehe das.
Wie ist es, wenn man einander freundlich begegnet?
Sie kommt mit einem Lachen und ich komme auch mit einem Lachen.
«Wie gehts?» und irgendwie ein kurzes Gespräch, und das ist es schon. Man soll nicht zur Seite gehen, sondern sollte draufzugehen. Ich bin auch eine, schon von Kind auf bin ich viel allein. Ich finde in meinem Inneren viel Kraft. Deshalb kann ich auch jeden ansprechen, wenn es hilft. Ich helfe den Leuten, die jetzt da sind.
Macht Sie das glücklich?
Ja. Ich singe gerne, ich singe gerne im Kreis.
Die Gemeinschaft tut Ihnen gut.
Ja, das brauche ich.
Geht euch das auch so?
Darf ich etwas fragen? Haben Sie das gleiche Gefühl wie andere? Das Gefühl von liebevoll miteinander sein? Und wenn man sieht, dass jemand nicht mehr kann, dass man es durchs Herz merkt und dann irgendwie helfen kann. Ich sage jetzt gerade, wie ich es heute Mittag gehabt habe. Das war sehr gut.
Was ist denn passiert?
Das ist jetzt die grosse Frage, die ich nur über mich erzählen kann. Es ist jemand, der sehr gut singt.
Können Sie ihr einen Rat geben, was sie machen soll, wenn sie ihre Lieben vermisst?
Draufzugehen. Die Leute ansprechen und fragen «kann ich helfen?». Man merkt es am Gesicht an. Ich habe es auch. Wenn einer auf einen zukommt und zurückschaut, dann sag ich Grüezi.
Was ist, wenn man keine lieben Leute um sich hat?
Das ist eine ganz grosse Welt, es ist nicht so einfach, von daher natürlich auch sehr komplex. Sind wir mit allen, eigentlich möchte man ja nicht, dass man einen hintergeht, demzufolge ist es eigentlich, würde man sich wünschen, dass es schnell vorübergeht oder gar nicht kommt.
Man wird nicht gerne hintergangen… Man braucht gute Leute um sich.
Ja. Verständige Leute. Das andere muss man liegen lassen, man muss es jedem selber überlassen.
Das ist schwierig.
Ich hatte auch mal eine Krise.
Die hatten wir alle.
Ich weiss auch nicht recht.
Was wünschen Sie sich?
Dass mir jemand hilft.
Wie kann man helfen?
Ich weiss es auch nicht recht.
Die Leute sind alle so verschieden, es ist sehr schwierig. Wenn jemand damit beschäftigt ist, geht es einfacher als bei jemandem, der plötzlich aus der Fabrik kommt und das sofort miterleben muss. Die haben es ja alle nicht gehabt.
Auch die, die in der Fabrik sind, finden etwas anderes, was sie glücklich oder traurig macht.
Wenn ich zum Beispiel mit dem Mann Velo fahren kann. Er hat natürlich nicht viel Zeit, er ist ein Sportler. Und dann bin ich glücklich, wenn er Zeit hat für uns und die Kinder. Dann fahren wir mit dem … mit dem …Wie sagt man, wenn es zwei sind?
Mit dem Tandem.
Ja. Aber ich mache nie den Dings vorne, nein.
Was ist, wenn der Mann nicht da ist und man nicht Velo fahren kann? Welches Glück gibt es dann?
Ich habe auch noch eins. Ich habe einen Schrebergarten. Ich habe ihn nicht allein, die Tochter macht viel. Wir haben Freude daran.
Es ist schön, wenn man etwas gemeinsam machen kann. Ich glaube, das gibt auch Energie.
Sie hat viel Besuch. Jetzt kommen sie nicht, weil sie Grippe haben. Damit sie nicht alle anstecken.
Er strahlt immer.
Er ist zufrieden.
Das ist sehr wichtig.
Und er spricht auch die Leute an.