US-Wahlen: Demenz gegen Neurose? - demenzjournal.com
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Politik und Krankheit

US-Wahlen: Demenz gegen Neurose?

Joe Biden und Donald Trump

Der Amtsinhaber Joe Biden (links) ist altersschwach geworden, sein Konkurrent Donald Trump hat eine Persönlichkeitsstörung. Bilder Gage Skidmore und Shealah Craighead

Demenz, Kreislaufprobleme, Neurose, Stottern, ADHS, Paranoia: Joe Biden (81) und Donald Trump (78) werden diverse Krankheiten nachgesagt. Es stellt sich die Frage: Wie krank darf ein Staatsoberhaupt sein?

Der eine log, dass sich die Balken bogen, der andere kämpfte stotternd darum, sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen. Das letzte TV-Duell der beiden Kandidaten für den wichtigsten Job der Welt bot Anschauungsunterricht für Psychiater und Geriater. Die Liste der Krankheiten, die Donald Trump und Joe Biden nachgesagt werden, ist lang. Trump leide an einer narzisstischen und paranoiden Persönlichkeitsstörung, an Demenz und ADHS, heißt es. Sein Konkurrent Biden habe eine Demenz und Herz-Kreislauf-Probleme, er sei erschöpft und altersschwach.

Manche Bilder sind manipuliert

Seit mehreren Jahren machen im Internet Fotos und Videoclips die Runde, die zeigen, wie schlecht es um die Gesundheit und die kognitiven Fähigkeiten des amtierenden Präsidenten steht. Mal stolpert Biden, mal stottert er, mal verwechselt er Namen. Während des Fotoshootings am G7-Gipfel blickt er in die falsche Richtung.

An einer musikalischen Vorführung schaut er mit verklärtem Blick ins Nirgendwo.

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass einige dieser Videos und Fotos manipuliert sind. Zum Beispiel schaute Biden während des G7-Gipfels nicht in die falsche Richtung, sondern sprach mit Soldaten, die offenbar mit bösen Hintergedanken aus dem Bild geschnitten worden waren.

Freilich ist keine der nachgesagten Krankheiten offiziell diagnostiziert – und damit stellen sich auch ethische Fragen, auf die wir in diesem Artikel nicht eingehen. Unabhängig vom tatsächlichen Gesundheitszustand der beiden Streithähne stellt sich die Frage: Wie krank darf ein Staatsoberhaupt sein?

1967 – vier Jahre nach der Ermordung von John F. Kennedy – wurde die Verfassung der USA angepasst, um die Nachfolge und den Umgang mit der Amtsunfähigkeit des Präsidenten klarer zu regeln. Darin steht jetzt unter anderem, dass der Präsident schriftlich erklären kann, dass er unfähig ist, seine Pflichten zu erfüllen. In diesem Fall übernimmt die Vizepräsidentin – aktuell Kamala Harris – die Amtsgeschäfte.

Wenn Biden nicht will, ist ein Wechsel unwahrscheinlich

Wenn der Vizepräsident und die Mehrheit der Kabinettsmitglieder (Minister) der Meinung sind, dass der Präsident seine Pflichten nicht mehr erfüllen kann, können sie eine schriftliche Erklärung an den Präsidenten des Senats (Patty Murray, 73) und den Sprecher des Repräsentantenhauses senden. Wenn der Präsident diese Erklärung anficht, wird der Kongress (Senat und Repräsentantenhaus) innerhalb von 21 Tagen darüber entscheiden. Eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern ist erforderlich, um den Präsidenten dauerhaft zu entfernen. Wenn der Präsident die Erklärung annimmt, übernimmt sofort die Vizepräsidentin.

Solange Biden trotz zunehmendem Druck an seinem Amt festhält, scheint ein Wechsel nicht wahrscheinlich.

Einerseits werden die Minister, die er berufen hat, ihm kaum in den Rücken fallen. Andererseits wird sich im Kongress kaum eine Zweidrittelmehrheit für den Rücktritt finden. Denn je länger Biden im Amt bleibt, desto mehr Missgeschicke werden ihm unterlaufen. Und davon profitieren vor allem Trump und seine Republikaner, die rund die Hälfte aller Abgeordneten stellen. Wahrscheinlicher ist, dass Biden mit zunehmendem Gegenwind und abnehmender Vitalität demnächst ein Einsehen haben wird.

Ob Biden, Harris oder eine andere Demokratin im Herbst zur Wahl antreten werden: Falls Trump im Herbst zum Präsidenten gewählt wird, droht den USA ähnliches Ungemach wie jetzt. Verschiedene Experten aus Politik, Diplomatie und Militär fürchten sich vor der emotionalen Instabilität und den Neurosen des selbsternannten Selfmade-Millionärs. Solche Defizite könnten dem Land und der ganzen Welt mehr Schaden zuführen als ein altersschwacher und vergesslicher alter Mann.