Manche Senioren waren besorgt, dass das «Eingesperrtsein» sie daran hindern würde, ihre letzten gesunden Monate und den Kontakt mit ihren Lieben zu geniessen.
Das Social Distancing und Schutzmassnahmen, wie etwa das Tragen von Masken, beeinträchtigte bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen oft die Orientierungsmöglichkeiten, was teilweise zu einer Verschlechterung ihrer Symptome führte.
Für andere war der Lockdown eine Gelegenheit, Neues zu lernen, die Beziehung zu Familie und Freunden zu stärken (per Telefon oder durch Videoanrufe) und dank dem Internet neue kulturelle Aktivitäten zu entdecken. Wie bei der übrigen Bevölkerung haben die sozialen Ungleichheiten die Erfahrung der Krise stark beeinflusst.
Neben dem Gefühl von Einsamkeit, fehlendem Körperkontakt mit Familie und Freunden und mangelnder körperlicher Aktivität sahen sich viele ältere Menschen mit praktischen Problemen konfrontiert. Das betraf vor allem jene, die das Internet nicht oder nicht ausreichend beherrschen: Wie kann man Zahlungen machen, ohne das Haus zu verlassen?
Wie kann man Bargeld abheben, um die Person zu bezahlen, die den Einkauf gemacht hat?
Wie informiert man sich über Lieferdienste in der Nachbarschaft? Es gab auch Berichte über Betrügereien mit älteren Menschen, bei denen die für den Einkauf verantwortliche Person das Geld nahm und dann verschwand.
Für die Bewohnenden von Pflegeheimen und ihre Angehörigen war es aufgrund von Unsicherheit, Isolation, eingeschränkten Freiheiten und Einsamkeit oft eine schwierige Zeit. Viele befürchteten, dass sie in ihren Zimmern isoliert werden, ohne Kontakt zu anderen.
Die fehlenden Besuche oder die Unmöglichkeit, Angehörige zu treffen, wurde von Menschen mit kognitiven Einschränkungen nicht immer verstanden oder wurde als Verlassenwerden erlebt.
Trotz der Krisensituation und des Mangels an Schutzausrüstung und Personal waren viele Mitarbeitende von Heimen kreativ, um individuelle und kollektive Bedürfnisse in Einklang zu bringen, indem sie die Verbindung mit den Angehörigen aufrechterhielten und interne Aktivitäten anboten.
Mitte bis Ende April 2020: der Seniorenaufstand
In den Medien wurden Stimmen laut, die die Isolation älterer Menschen, die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität, die Verschlechterung ihres Images in der Bevölkerung und die Tatsache anprangerten, dass sie ihres freien Willens beraubt werden.
In Zeitungen erschienen Leserbriefe, in denen ältere Menschen ihren beengten Alltag schilderten, aber auch Unmut äusserten, weil sie von der Gesellschaft ausgeschlossen und gegen ihren Willen «unter eine Glocke gestellt» wurden.
Gleichzeitig brachten mehrere Seniorenverbände ihr Unverständnis gegenüber bestimmten Richtlinien zum Ausdruck, insbesondere bezüglich der Triage von Patienten (u. a. auf der Grundlage des chronologischen Alters, nicht der Prognose). Sie prangerten auch die Tatsache an, dass ältere Menschen allein aufgrund ihres Alters anders behandelt werden als die übrige Bevölkerung.