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Interview

Wie wird ein Alterszentrum zum Vorzeigeobjekt?

Das Alterszentrum Lanzeln in Stäfa (ZH) geniesst landesweit einen hervorragenden Ruf. Lanzeln

Alters- und Pflegeheimprojekte scheitern häufig an der Uneinigkeit zwischen Behördenmitgliedern, Heimleitung und Bevölkerung. Nicht so das Alterszentrum Lanzeln in Stäfa. Das Vorzeigeobjekt ist das siebte Jahr in Betrieb und das Konzept bewährt sich.

Im Gespräch mit der Heimleiterin Marie-Louise Sarraj und dem damals zuständigen Gemeinderat Hans Ulrich Scheller fragten wir nach den Gründen für diese Erfolgsgeschichte.

alzheimer.ch: Wie war es möglich, ein Vorzeige-Alterszentrum wie die Lanzeln zu bauen?

Hans Ulrich Scheller: Weil wir unglaublich viel Energie darauf verwendet haben, mit allen möglichen Stellen wie Trägern, Partnern, Gegnern und Skeptikern laufend zu kommunizieren.

Marie-Louise Sarraj: Das war vor allem Hansuelis Verdienst. Er ist ein allseits anerkannter, begabter Kommunikator und konnte die Leute überzeugen. Die Planungsphase begann schon 1998, als ich hier anfing. Damals dachte ich, dass die Renovation in ein oder zwei Jahren über die Bühne sei.

Hans Ulrich Scheller: Ich wurde 2002 gewählt und stiess am Anfang der Planung auf grossen Widerstand. Ich bekam viele «kurze» Anfragen mit unzähligen Detailfragen und die Zeitungen waren voller Leserbriefe. Es hiess, wir würden nicht vorwärts machen, wollten gar nicht bauen.

Aber wir organisierten mehrfache Info-Auftritte bei Orts- und Gewerbevereinen und Kirchen, bezogen die Bevölkerung und Nachbarn mit ein, um Rekurse zu vermeiden. Das war zwar sehr aufwändig, lohnte sich aber.

Marie-Louise Sarraj: Zentral war das stabile Kaderteam sowohl hier im Haus als auch auf politischer Ebene. Wir sind einander immer auf Augenhöhe und mit Wertschätzung begegnet, hatten ähnliche Vorstellungen und das gleiche Menschenbild.

Marie-Louise Sarraj und Hans Ulrich SchellerBild Petra Schanz

Ebenfalls essentiell war, dass wir im Betrieb ein Projektteam mit Vertretungen aus allen Bereichen bildeten. Hier diskutierten wir sämtliche Pläne und Ideen und prüften, ob sich unsere Konzepte umsetzen liessen. So waren die Mitarbeitenden mit ihren praktischen Erfahrungen einbezogen. Die Ideen gab ich an das Architekturbüro weiter.

Hans Ulrich Scheller: Überall war viel Engagement und Interesse zu spüren. Die Idee des Demenzgartens kam beispielsweise von einem Behördenmitglied.

Und wir hatten niemanden im Team, der mehr an seinem eigenen Ego als an der Sache interessiert war.

Marie-Louise Sarraj: Ganz wichtig war auch, dass wir das Finanzdach einhalten konnten. Wir bauten ein tolles Projekt für verhältnismässig wenig Geld.

Hans Ulrich Scheller: Das war das Ziel. Damit sass mir der Gemeinderat im Nacken, da bei vorherigen Altersheimbauten die Finanzen überschritten worden waren.

2010 wurde das Alterszentrum Lanzeln fertiggestellt. Hat sich der Neubau bewährt?

Marie-Louise Sarraj: Ja, gar keine Frage. Ich bekomme immer noch fast täglich positive Rückmeldungen von unterschiedlicher Seite. Gerade gestern sprach ich mit einem älteren Ehepaar, das sämtliche Heime in der Gegend besichtigt hatte und mir versicherte, ein so tolles Heim hätten sie sonst nirgends gesehen. Bis heute kommen auch Zuständige von anderen Heimen für eine Besichtigung.

«Man nimmt das Alterszentrum Lanzeln als Modell und lässt sich gezielt beraten.»

Marie-Louise Sarraj

Hans Ulrich Scheller: 2013 bekam das Alterszentrum Lanzeln den Age Award. Das ist eine grosse Anerkennung und ein Benchmark.

Was sind denn die Vorteile des Zentrums?

Marie-Louise Sarraj: Spannend ist, dass selbst hoch Betagte, die anfangs Angst haben, in einen Neubau zu ziehen, später berichten, dass sie sich auf Anhieb wohl gefühlt hätten. Die Architektur ist offen, transparent, grosszügig. Der Eingangsbereich wirkt wie eine Hotellobby. Die oberen Zimmer haben Teilseesicht. Die schönsten Plätze sind die öffentlichen Räume.

«Es war uns wichtig, dass die Bewohnenden viele Möglichkeiten haben sich zu treffen, Spiele zu machen, zu jassen und fernzusehen.»

Hans Ulrich Scheller

Marie-Louise Sarraj: Wir haben genug Platz, um mit den Aktivitäten auf die Abteilungen zu gehen. Das ist ein Vorteil, denn so ist die Schwelle zum Mitmachen kleiner. Eine Grundlage der Planung war zudem der flexible Grundriss des Gebäudes, um auf gesellschaftliche Trends reagieren zu können. Es gibt wenig stützende Wände, dafür Säulen. Wir können aus 1er-Zimmern 2er-Zimmer machen oder aus mehreren Zimmern eine Wohneinheit.

Sind auch Nachteile aufgetaucht?

Marie-Louise Sarraj: Sehr wenige und nur Kleinigkeiten wie Steckdosen, die wir anfangs beheben konnten.

Hans Ulrich Scheller: Ein Nachteil ist, dass man in der Höhe nicht mehr aufstocken kann.

Marie-Louise Sarraj: Das scheint aber auch nicht mehr nötig. Noch vor fünf Jahren befürchtete man, bald zu wenig Betten zu haben. Inzwischen gibt es im Kanton Zürich ein Überangebot. Die Leute möchten möglichst lange zu Hause bleiben, also baut man die ambulanten Dienstleister aus.

Zu uns kommen die Menschen erst, wenn sie Betreuung brauchen. Darauf ist unser Personalschlüssel ausgelegt. Für selbständige Leute sind wir eine zu teure Institution.

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Was raten Sie Zuständigen bei der Planung eines Alterszentrums?

Marie-Louise Sarraj: Ganz wichtig ist, dass die Mitarbeitenden mit einbezogen werden.

«Die Heimleitung muss bei der Planung dabei sein, sonst funktioniert es nicht. Sonst werden zum Beispiel Aufenthaltsräume zu Abstellkammern.»

Marie-Louise Sarraj

Zwei von fünf Heimbewohnern leiden an Demenz. Sie haben 136 Betten, davon 34 für Menschen mit Demenz. Ist das nicht zu wenig?

Marie-Louise Sarraj: Ich würde sogar sagen, bei unseren 136 Bewohnenden haben mehr als die Hälfte eine Demenzproblematik. Auf der Demenzstation haben wir zurzeit 18 Betten, einen zusätzlichen Trakt können wir bei Bedarf für Menschen mit Demenz nutzen. Aber nach Möglichkeit belegen wir integrativ. So wohnen auf allen Abteilungen Menschen mit Demenz.

Viele kann man mit den heutigen Hilfsmitteln gut integrieren. Auf die Demenzstation werden gezielt Bewohnende verlegt, die von einem individuellen, ruhigen und grosszügigen Umfeld profitieren, das auf sehr angetriebene und verhaltensauffällige Menschen abgestimmt ist.

Wie ist die Lanzeln für Menschen mit Demenz eingerichtet?

«Da war uns die Sonnweid in Wetzikon ein Vorbild. Wir haben Vieles geprüft und umgesetzt, was man über Demenzeinrichtungen weiss.»

Hans Ulrich Scheller

Marie-Louise Sarraj: Das Umfeld ist barrierefrei, grosszügig, hat viel Raum, man kann sich bewegen, man kann laufen. Die Zimmer sind mit den gleichen Materialien eingerichtet wie alle anderen. Das war uns wichtig im Sinne der Wertschätzung. Lieber nehmen wir in Kauf, dass wir etwas öfter streichen oder etwas ersetzen müssen. Der Personalschlüssel ist höher.

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Wir verfolgen laufend neue Konzepte und prüfen, ob sie unserem Menschenbild entsprechen. Aktuell erarbeitet das Pflegeteam unser Demenzkonzept. Wir haben den Grundsatz: Freiheit vor Sicherheit. Es wird zum Beispiel niemand fixiert oder eingeschlossen.

Dafür nehmen wir in Kauf, dass jemand mal einen Unfall macht. Das ist uns lieber, als die Freiheit einzuschränken. Dies muss natürlich mit den Angehörigen besprochen werden.