Mäander sind Flussschlingen, die sich ihren Weg durch die Landschaft suchen. Mal schneller, mal langsamer, geformt durch Hindernisse. Genau das soll die «Plattform Mäander» tun: vielfältige Wege finden zur Integration von Menschen mit Demenz in unsere Gesellschaft.
Allerdings kostet allein die fünfjährige Startphase 1,6 Millionen Franken. 1,5 Millionen sollen aus dem Lotteriefonds kommen. Viel Geld für eine neue Institution, die es nach Ansicht einiger in dieser Form nicht braucht.
«Diese Stiftung ist eine Konkurrenz zu Bestehendem», findet Daniel Wagner, Initiator des Zürcher Demenz Meet, «und ein Affront für alle Engagierten, die für ihre Projekte um jeden Rappen kämpfen müssen».
«Wieso unterstützt man nicht Projekte, die es schon gibt?», fragt Regula Bockstaller, Inhaberin der Praxis 60 Plus. «Warum so ein bürokratischer Wasserkopf? Betroffene und Angehörige sehen keinen Rappen von diesem Geld». Eine nachvollziehbare Sorge, denn der grösste Kostenpunkt ist das Personal.
Die Gesellschaft muss ‹demenzfit› werden
Dass gehandelt werden muss, ist klar. Bis 2040 dürften im Kanton Zürich aufgrund der demografischen Entwicklung etwa 47’000 Menschen von einer Demenz betroffen sein. Zählt man das pflegende Umfeld dazu, sind das geschätzt 150’000 Betroffene.
Mäander: ein Produkt der Nationalen Demenzstrategie
2017 beauftragte der Zürcher Regierungsrat die Gesundheitsdirektion, eine Idee für eine Institution zu entwickeln, welche die Verbesserung der Lebensbedingungen von Betroffenen und deren Einbindung in die Gesellschaft fördert. Im Juli 2020 stimmte der Regierungsrat der Gründung der Stiftung Mäander zu. An der Entwicklung mitbeteiligt waren die Städte Zürich und Winterthur, der Zürcher Gemeindepräsidentenverband sowie Alzheimer Zürich und Pro Senectute.
«Unsere Gesellschaft ist gefordert, diese Menschen mitzunehmen», sagt Christoph Franck, Projektverantwortlicher der Gesundheitsdirektion Zürich. Menschen mit Demenz sollen so lange wie möglich zuhause bleiben können – um Pflegeinstitutionen zu entlasten und Betroffene in ihrem vertrauten Umfeld sowie in der Gesellschaft zu halten.
Deshalb will Mäander gemäss Regierungsrat «innovative Ideen» zur Reife bringen, die das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Demenz verbessern.
Dies indem die Stiftung in Match-Maker-Funktion Projektinitianten mit Projektpartnern, zum Beispiel aus der Praxis und der Wissenschaft, sowie Geldgebern zusammenbringt. Die Stiftung selbst leistet keine finanzielle Unterstützung.
«Die Projekte werden finanziert aus Eigenleistungen der Beteiligten und Beiträgen von Sponsoren. Das kann beispielsweise eine Stiftung sein, ein Pflegezentrum oder ein Detailhändler», so Franck, der Mäander nach dem Weggang der vormaligen Projektverantwortlichen Monique Arts übernommen hat.
Ein Kriterium für Mäander-Projekte ist die gesamtgesellschaftliche Ausrichtung: Es geht gemäss Franck nicht nur um die Bedürfnisse der Betroffenen, sondern auch um die der Gesellschaft und ihrer verschiedenen Akteure.
Ein «Pionierprojekt mit Leuchtturmpotenzial», resümiert ein externes Beratungsbüro, das mit der Konzeptprüfung betraut war.
Pilotprojekte versus reale Bedürfnisse?
Die Plattform will «koordinieren, initiieren, kommunizieren». Da das theoretisch klingt, sollen drei Pilotprojekte die Vision von Mäander fassbar machen:
- Velokumpel: Ausfahrten mit Spezialfahrrädern für Menschen mit Demenz
- Hotline Demenz: konfessionsübergreifender, seelsorgerischer Telefondienst für Direktbetroffene und ihre Angehörigen
- MitDemenz: Kuraufenthalte mit Schulungs- und Präventionsangeboten für pflegende Angehörige
Vor dem Hintergrund, dass Mäander frische Ideen fördern will, gibt es hier Köpfeschütteln.
«Veloausflüge sind bei weitem nichts Neues», sagt Bockstaller, die in der Demenzszene gut vernetzt ist. «Einige Heime machen solche Ausfahrten mit Spezialrädern schon.» Dasselbe gelte für die Hotline Demenz: «Man kann jede Alzheimer Vereinigung und jede Altersbeauftragte anrufen.»
MitDemenz dagegen weckt Interesse. Hier geht es darum, pflegende Angehörige aufzufangen, bevor sie unter der Last ihrer Aufgabe zusammenbrechen. Ein Erholungs- und Schulungsangebot, bei dem die zu betreuende Person ebenfalls versorgt wird, tut Not.
Ansonsten scheinen die Pilotprojekte an den Bedürfnissen von Betroffenen vorbeizugehen. Einblicke in die drängendsten Probleme:
«Du kommst mit einer Diagnose aus der Klinik und stehst alleine da», sagt Wagner, der das Irren durch den ‹Demenz-Dschungel› als Angehöriger miterlebt hat. In einer hochbelastenden Situation müssen sich Betroffene und Angehörige selbst Informationen zusammensuchen.
Auch Fachleute sind überfordert. Es fehlt eine Übersicht über regionale Angebote und Anlaufstellen, wie Birte Weinheimer, Fachleitung Psychologie in der Memory Clinic Entlisberg, bestätigt.