Wir wissen immer mehr: über uns selbst, unsere Krankheiten, über unsere Gesellschaft. Noch nie waren wir so transparent. Doch alles Wissen zeigt uns auch unsere Schwächen, unsere Grenzen. Jeder technische oder medizinische Fortschritt ist gleichzeitig eine Enttäuschung, denn mit jedem gelösten Problem tauchen zehn neue Fragen auf.
Trotzdem gibt es keine Alternative zu mehr Wissen. Eine Verweigerung würde zu Fanatismus und Fake News führen. Mehr Wissen ist aber nicht per se eine Verbesserung, denn für einen Wandel braucht es neben Wissen auch die emotionale Ebene, die das Wissen akzeptiert.
Wandel braucht Zeit. Auch weil es um Macht geht. Macht ist sexy.
Die Hoffnung, die Dinge würden so bleiben wie immer, macht uns schwerfällig. Auch unser politisches System erschwert den Wandel, denn die Demokratie sucht ständig nach Kompromissen und verweigert sich direkten, unpopulären, ja vielleicht sogar autoritären Lösungen.
Das ist gut, aber es hemmt den Wandel. Die zunehmende Komplexität der Dinge und die Fragmentierung der Interessen lösen bei uns Stress aus.
Dieser Stress fördert gewisse Trends: zum Beispiel die Hinwendung zu gemeinschaftlicher statt zu individualistischer Identifikation («Gruppeneffekt») oder zu emotionalen statt rationalen Entscheidungen. Temporäre, bedarfsorientierte Lösungen erhalten den Vorzug vor langfristiger Planung.
Ambulante Lösungen kommen vor stationären, nicht nur in der Medizin.
Was verhindert den Wandel?
Die grosse Gefahr liegt darin, keine Lösungen zu finden und einfach weiter zu machen wie bisher. Das ebnet den Weg in den Populismus und zu extremen Positionen. Wenn die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Wandel fehlen, gelingt er nicht.
Wenn Fortschrittskonservatismus, Moralismus und Gleichgültigkeit dominieren und der Druck zu Veränderungen fehlt, weil man zum Beispiel immer genug Geld verteilen kann, passieren keine strukturellenVeränderungen.
Die Wohlstandsfalle, in der alles langsam, gut und teuer zu sein hat, verunmöglicht Wandel.