Das Universitätsspital Zürich schliesst die Abteilung für Geriatrie. Die offizielle Begründung lautet, es sei nicht mehr genug Platz da. demenzjournal berichtete 2019 über Heike Bischoff-Ferrari und ihre Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Die Professorin hat am Unispital seit 2014 eine eigenständige Abteilung für Geriatrie aufgebaut. Dort betreut engagiertes Personal ältere und demenzkranke Menschen.
Kommentar
Spitzenmedizin statt guter Betreuung für Demenzkranke
Für Menschen mit Demenz ist ein Spitalaufenthalt eine grosse Belastung. Symbolbild AdobeStock
Das Universitätsspital Zürich stellt die Altersmedizin samt Professorin Heike Bischoff-Ferrari vor die Tür. Dies zeigt einmal mehr: Wenn das Geld den Ton angibt, bleiben die Bedürfnisse von alten und demenzkranken Menschen auf der Strecke.
Zudem unterstützt das Team andere Abteilungen, in denen ebenfalls viele ältere und demenzkranke Menschen behandelt werden. Wenn Menschen mit Demenz in die Unfallchirurgie oder ins Herz-Zentrum kommen, begleiten Bischoff-Ferrari und ihr Team das Personal dieser Abteilungen. Sie sagen ihnen zum Beispiel, wie sie ein Delir verhindern können und wie mit herausforderndem Verhalten umzugehen ist. Obwohl dies in einer Gesellschaft, die immer älter wird, eine Selbstverständlichkeit ist, soll nun Schluss sein damit.
Spitalaufenthalt löst Unruhe, Angst und Aggression aus
Solche Begleitungen durch Spezialisten sind sehr wichtig, denn ein Spitalaufenthalt ist für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen auch bei optimalem Verlauf sehr belastend. Das ungewohnte Umfeld und die Behandlungen lösen bei Menschen mit Demenz oftmals Unruhe, Angst und Aggression aus. Die geltenden Fallpauschalen und der knapp bemessene Personalbestand werden dem in keiner Weise gerecht.
demenzjournal stellte in mehreren Beiträgen demenzfreundliche Spitäler vor. Wir zeigten Konzepte, die Menschen mit Demenz einen Spitalaufenthalt erleichtern sollen. Wir berichteten aber auch darüber, wie unsensibel und inkompetent Menschen mit Demenz in manchen Spitälern behandelt und betreut worden sind.
Unsere freie Mitarbeiterin Uschi Entenmann berichtete zum Beispiel von den Qualen, die ihre Mutter erleiden musste. Der dementen Frau war in einem Spital in Deutschland gewaltsam ein Katheter eingesetzt worden, Ärzte kanzelten die geschockten Angehörigen ab. Wenige Tage danach war die Frau tot.
Eine bedenkliche Botschaft an Menschen mit Demenz
Die Leitung des Universitätsspitals Zürich stellt mit ihrem Entscheid gegen die Altersmedizin nur nicht nur die wichtige Arbeit von Heike Bischoff-Ferrari in Frage, sondern setzt auch ein bedenkliches Zeichen. Fakt ist, dass sehr viele Patienten, die für mehrere Tage im Spital bleiben müssen, alte Menschen sind (junge gehen meist kurz nach der OP wieder nach Hause). Dass diese alten und oft auch demenzkranken Menschen nun nicht mehr von Geriatrie-Ärzten betreut werden, ist skandalös.
Es zeigt sich einmal mehr: Das Gesundheitswesen funktioniert zunehmend wie eine Industrie. Fallpauschalen und das Streben nach Gewinn bestimmen die Strategie und das Handeln. Dieses System ignoriert Menschen mit speziellen (und zusätzlichen) Bedürfnissen, also auch Menschen mit Demenz. Es verspottet sie geradezu.
Nach wie vor gibt es in den Spitälern sehr viele Mitarbeitende, die mit Idealismus, integren Werten und Intentionen arbeiten. Entscheide wie jener des Unispitals werden dafür sorgen, dass noch mehr dieser Mitarbeitenden nach anderen Jobs Ausschau halten werden. Eine zusätzliche Ferienwoche oder etwas mehr Lohn werden daran kaum etwas ändern.