Francois Taillens, SBK: Herr Nadot, erste fortgeschrittene Praktiken der Pflege habe es bereits am Ende des 18. Jahrhunderts gegeben. Erzählen Sie uns von dieser «Advanced Practice»!
Michel Nadot: Bereits bei der Entstehung von Hospitälern und der Anstellung von Ärzten Ende des 18. Jahrhunderts hatten Pflegende eine erweiterte Funktion. So wurden sie zum Beispiel im Spital Freiburg am 22. April 1778 dazu verpflichtet, an der ärztlichen Visite teilzunehmen. Und am 22. Dezember 1795 wurde die Krankenwärterin von Romont autorisiert, Medikamente zuzubereiten, zu verabreichen und ihre Wirkung zu überwachen.
Sie weisen darauf hin, dass der Kampf um die Sichtbarkeit der Pflege eng mit dem feministischen Kampf verbunden ist. Können Sie das erklären?
Die Fähigkeiten von Frauen bei der Bewirtschaftung des Lebensraumes einer Familie (Haus, Haushalt, Anwesen, Lebensraum, Gemeinschaft) werden wissenschaftlich und wirtschaftlich nicht anerkannt. Doch gerade wegen dieser Fähigkeiten wurden sie in der säkularen Wissenszeit vor 1859 im Spital eingestellt. Diese historischen Wurzeln tragen zu den Schwierigkeiten der Pflege bei, sich als Disziplin zu behaupten.