Menschen mit Demenz und deren Angehörige haben viele Fragen, die sie rasch und kompetent geklärt haben wollen: Wo kann man sich abklären lassen? Wie entwickelt sich eine Demenz und was bedeutet das für das künftige Miteinander? Welche Unterstützungsangebote gibt es? Wie lässt sich die Selbständigkeit möglichst lange wahren?
Das Gesundheitsnetz Berner Oberland (GBO) lancierte im Frühjahr 2019 ein Pilotprojekt, das Betroffenen, Angehörigen, aber auch Fachpersonen die Beantwortung ihrer Fragen erleichtern soll: den Demenzkompass.
Die Online-Plattform ist im Entstehen begriffen.
Noch wirkt sie wie ein Gerüst. Das Haus lässt sich erahnen, doch bis es fertig ist, bleibt viel zu tun. Aline Tillmann, Projektleiterin der Kompetenzerweiterung Demenz der Spitex Region Interlaken, betreut den Aufbau.
Im Gespräch mit alzheimer.ch gibt sie Einblick in die Hintergründe des Projekts: «Als Betroffener oder Angehöriger ist es belastend, Angebote und Fachwissen zu suchen. Rasch wird es zu komplex. Auch wenn ich als Fachperson nach einer Tagesstätte suche, muss ich auf jeder Pflegeheimhomepage prüfen, ob dort so etwas angeboten wird. Da haben wir gemerkt, wir brauchen einen Kompass, der einen durch diesen Demenz-Dschungel führt».
Zentrales Navigationselement ist – in der Desktopansicht – die Windrose. Dort können Besucher Rubriken wie Krankheit, Beratung oder Wohnform anwählen. Wer beispielsweise mehr über den Umgang mit Demenz erfahren möchte, wird auf eine Unterseite mit einer ausdifferenzierten Windrose weitergeleitet.Bild 1
Der Fokus liegt auf der knappen Information sowie insbesondere der Vernetzung. Entsprechend wichtig ist die Kartennavigation mit Filtermöglichkeit, das Alleinstellungsmerkmal, wie Tillmann betont: «Ich verliere mich nicht im grossen Ganzen, sondern kann nach Ort und gesuchter Dienstleistung eingrenzen».
Teil eines grösseren Projekts: Vernetzung und Kooperation
Der Demenzkompass ist das erste Produkt des Gesundheitsnetzes Berner Oberland. Der Verein wurde 2018 von Pflegefachleuten, Ärztinnen, Therapeuten, Psychologinnen, Heimen, der Spitex, Beratungsstellen und anderen Leistungserbringern aus der Region gegründet.
Seine Mitglieder trafen sich bereits ab 2016 regelmässig im Netzwerk Demenz, um die Kooperation zu fördern.
Sowohl Kompass als auch Gesundheitsnetzwerk sind Elemente eines grösseren Unterfangens, das gemäss Tillmann entstand, weil «die Strukturen für Menschen mit Demenz bei der Spitex ungenügend sind». Geringe Fachkompetenz oder wechselnde Ansprechpartner etwa erschweren die Unterstützung Betroffener und Angehöriger.
Deshalb etablierte die Spitex Region Interlaken 2016 die «Demenztour».
Indem Hausbesuche von stets demselben Pflegeteam durchgeführt werden (maximal fünf Mitarbeitende pro Klient), werden Wechsel reduziert. Spezifisch ausgebildete «Demenz Coaches» begleiten Betroffene und Angehörige. Sie folgen dem Recovery-Ansatz, der auf eine individuelle Strategie unter Einbezug des Umfelds abzielt.
In Zusammenarbeit mit der Memory Clinic Interlaken funktioniert das System bereits: Nach der Diagnose erhält der Betroffene einen Demenz Coach, der das Betreuungsnetz (Dienstleister, Angehörige und Freunde) erfasst, aktiviert und berät.
Unter Umständen kann er dabei auf Leistungsanbieter zurückgreifen, die bereits im Demenzkompass verzeichnet sind.Bild 2
«Die Prämisse ist: Wir tragen die Person, die zuhause erkrankt ist, gemeinsam», sagt Tillmann. Denn nur eine gute Netzwerkstruktur ermöglicht Menschen mit Demenz ein selbstbestimmtes Leben zuhause. Aktuell gibt es fünf Coaches. Das Ziel ist, das Modell überkantonal zu etablieren.
Know-How abrufen, Kräfte bündeln, vernetzen. Diese Idee steckt auch hinter dem Demenzkompass. Wie die Plattform funktioniert und wo das Projekt aktuell steht, verriet uns Aline Tillmann in einem Interview.