In einem Heim im Kanton Glarus wurden Seniorinnen und Senioren stundenlang an Stühle und die Toilette gefesselt. Der Trägerverein rechtfertigte sich mit der Aussage, das sei zum Schutz der Bewohnenden passiert. Dies berichteten kürzlich die Südostschweiz sowie die Sendung 10vor10 des Schweizer Fernsehens SRF.
Generell kommen Übergriffe aber weniger in Heimen oder Institutionen vor, sondern eher im häuslichen Bereich, wo kein professionelles Pflegepersonal sich gegenseitig auf die Finger schaut. Barbara Baumeister, Dozentin am Departement Soziale Arbeit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat zu diesem Thema eine Studie mit dem Titel «Schutz in der häuslichen Betreuung alter Menschen» veröffentlicht.
Die meisten Misshandlungen passieren aufgrund von Überlastung, sagt sie:
«Angehörige übernehmen die Pflege oft, ohne sich Gedanken zu machen, wie lange die Situation andauern kann und dass sie mit zunehmender Krankheit belastender wird.»
So sind es denn auch über 80 Prozent der pflegenden Angehörigen, die die Situation selbst als eher stark oder sehr stark belastend empfinden, wie der Studie zu entnehmen ist. An die Öffentlichkeit kommen meist nur medienwirksame Fälle von Gewalt gegen ältere Menschen. Bei der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) gehen hingegen täglich Beschwerden ein.
Beratung am Alzheimertelefon
Hausarzt/Hausärztin mit einbeziehen
Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA) einschalten
KESB einschalten
Prävention für Angehörige
Hilfe annehmen: Pro Senectute, Spitex, Entlastungsdienst Rotes Kreuz etc. helfen weiter.[/infobox]
Verlässliche Zahlen gibt es für die Schweiz nicht. Gemäss Bundesamt für Statistik betrafen im Jahre 2013 4,5 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt Menschen über 60 Jahre. Man geht aber von einer Dunkelziffer aus und nimmt an, dass häusliche Gewalt in Betreuungssituationen ein ernstzunehmendes Problem darstellt.
Doch was ist zu tun, wenn man als aussenstehende Person einen Verdacht auf Misshandlung hat? «Wenn man näher involviert ist, kann man an die UBA gelangen», sagt Baumeister. Dort gibt es eine Fachkommission mit Juristen, Ärzten, Psychiatern, Pflegenden und Sozialarbeitenden im Hintergrund. Je nach Beschwerde delegieren sie eine Fachperson.
Die Dozentin und Leiterin des Forschungsprojektes hat die Erfahrung gemacht, dass es im häuslichen Bereich länger dauert, bis jemand aufmerksam wird oder sich für Unterstützung an eine Stelle wendet. An die KESB zu gelangen, die dann weitere Abklärungsschritte einleitet, wäre der offizielle Weg, fügt Barbara Baumeister an.
Hilfe annehmen – das A und O
Menschen mit Demenz zu betreuen, kann für Angehörige äusserst anspruchsvoll sein. Weglaufgefahr, Aggression, Störungen bei alltäglichen Verrichtungen, psychische Begleiterscheinungen, Nachtaktivität usw. führen oft zu Überforderung. Diese Überforderung kann zu physischen und psychischen Misshandlungen führen. Umgekehrt können sich Menschen mit Demenz schlecht oder gar nicht gegen Misshandlungen wehren.
Stefanie Becker, Geschäftsleiterin von Alzheimer Schweiz, empfiehlt bei Verdacht auf Misshandlungen neben der UBA auch die Hausärztinnen und Hausärzte als Ansprechpersonen nicht zu vergessen oder sich an das Alzheimertelefon (024 426 06 06) zu wenden. «Dort werden persönliche Beratungen angeboten – denn es gilt, jede dieser sensiblen Situationen individuell anzuschauen.»