Die Nationale Demenzstrategie 2014 – 2019 des Bundes ist grundsätzlich eine gute Sache. Experten aus verschiedenen Gebieten haben sie in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) erarbeitet. Sie definiert die vier Handlungsfelder «Gesundheitskompetenz, Information und Partizipation», «Bedarfsgerechte Angebote», «Qualität und Fachkompetenz» und «Daten und Wissensvermittlung».
Fünf Jahre nach der Einführung der Nationalen Demenzstrategie herrscht bei Betroffenen, Angehörigen, Pflegenden, Praktikern und Institutionen Ernüchterung. Einerseits fehlen die Ressourcen und Finanzen zur Umsetzung der vielen angedachten Projekte. Andererseits bewegt sich in der Politik kaum etwas – und wenn, dann in die falsche Richtung.
Nach wie vor müssen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen selber aufkommen für die Kosten der Betreuung.
Die nationalen Räte und Gerichte haben verschiedene Unterstützungsleistungen der Krankenkassen gestrichen – unter anderem die Kosten für Hilfsmaterial wie Verbände oder Einlagen. Die Krankenkassen behindern mit unsinnigen Vorschriften und Kontrollen die Pflegenden und Betreuenden bei ihrer täglichen Arbeit.
Gleichzeitig erzielen Grosskonzerne mit Pflegeheimen grosse Gewinne und Renditen. Es gibt kaum gebündelte Hilfsangebote und Anlaufstellen. Die verschiedenen Leistungen und Institutionen sind schlecht vernetzt, die Betroffenen und ihre Angehörigen kämpfen sich mühsam durch einen Dschungel von Angeboten.
«Ich finde: Jetzt reichts!», sagt Daniel Wagner. Der Angehörige und Demenz-Aktivist hat in den vergangenen Jahren «Demenz Zürich» initiiert, das «Demenz Meet» ins Leben gerufen und mehrere Austauschgruppen auf Facebook gegründet. In diesen Netzwerken hört er immer wieder Klagen.
«Ich habe das Gefühl, dass bei uns in der Schweiz je länger desto mehr etwas schief läuft. Auf der einen Seite wissen wir, dass Demenz ein Zukunftsthema ist. Wir werden immer mehr Diagnosen haben, weil die Menschen immer älter werden.
Auf der anderen Seite haben wir Angehörige, die am Limit laufen – einerseits psychisch und physisch, andererseits finanziell, weil die Krankenkassen die Betreuungsleistungen nicht bezahlen. Das Personal in den Heimen und Pflegezentren beklagt sich, weil sie immer mehr rapportieren und administrieren müssen. Sie verbringen immer mehr Zeit im Büro statt bei den Menschen, die sie betreuen sollen.»
Ein Ende 2017 veröffentlichter Bericht von Alzheimer Europe bestätigt Wagners Einschätzung: Punkto Pflegeleistung, Strategie und Rechte von Menschen mit Demenz belegt die Schweiz im europäischen Vergleich nur den 14. Rang.
Eines der reichsten Länder der Welt ist also nur Mittelmass und liegt weit hinter Finnland, Grossbritannien und den Niederlanden.
Wagner will nun, dass Betroffene, Angehörige, Pflegende und weitere Player im Bereich Demenz laut werden. Auf der Website demenzstrategie.ch will er ihre Forderungen aufnehmen und bündeln. «Eine Stimme allein ist nicht laut», so Wagner. «Aber mehrere hundert, vielleicht auch tausende von Stimmen können vielleicht etwas Positives bewirken für die Zukunft».
Bereits hat Wagner prominente Unterstützerinnen und Unterstützer an Bord: Stefanie Becker, Geschäftsführerin von Alzheimer Schweiz, und Michael Schmieder, Ethiker, Pfleger und Buchautor, ermuntern die Besucher der Website mit einer Videobotschaft zum Mitmachen an dieser Aktion. Bisher (Stand 24. Februar 2019) haben rund 30 Angehörige und 50 Fachpersonen auf demenzstrategie.ch ihre Forderungen formuliert.
alzheimer.ch unterstützt diese Aktion und wird künftig regelmässig darüber berichten. Auch wir erfahren von unseren Besuchern und via Soziale Medien immer häufiger von Missständen, die es zu beheben gilt.