Geht es um die Zukunft der Pflege, scheint kein Sprachbild zu dramatisch: Von einer «Zeitbombe» ist nicht nur in Österreich die Rede. Die Zündschnur scheint allerdings lang zu sein – denn schon 2010 titelte die deutsche Ärztezeitung genauso. Alles also halb so schlimm? Im Gegenteil, denn offensichtlich ist jahrelang nicht genug oder nicht das Richtige geschehen, um die Situation zu entschärfen.
Im Dezember 2018 veröffentlichte die österreichische Regierung einen «Masterplan Pflege» – der keine Details, aber die Absicht enthält, «menschwürdige Pflege» zu sichern. Dagegen lässt sich nicht viel sagen. Interessant ist der Weg, den das Sozialministerium dafür vorschlägt: Man will die Pflege zu Hause absichern.
Hier stutzen Eingeweihte bereits, denn die Demographie zeigt klar, dass in Zukunft mehr Probleme als Lösungen aus dieser Ecke zu erwarten sind. Die Babyboomer, die nun alt werden, haben weniger Kinder als vorige Generationen. Diese sind grossteils und länger als früher erwerbstätig.
Die Landflucht bringt mit sich, dass zahlreiche Angehörige zu weit entfernt leben, um vor Ort zu betreuen.
Dazu kommen steigende Zahlen allein lebender Menschen. In der Summe keine vielversprechenden Aussichten für den Pfad, den sich das Ministerium ausgesucht hat.
Ähnlich realitätsfremd scheint der Zugang der Regierung zum Image der Pflegeberufe. Es solle aufgewertet werden, so das hehre Ziel. Soweit, so altbekannt: Die Meldung, «Image der Altenpflege soll gehoben werden» stammt etwa aus dem Jahr 2005. Aufhorchen lässt bei derselben Pressekonferenz die Aussage des Vizekanzlers, dass es kein Prinzip des «Abschubs in eine Pflegeeinrichtung» geben dürfe.
Wer stationäre Pflege mit Schubhaftzentren gleichsetzt, braucht über das Image der Pflege nicht weiterzusprechen.
Eine Imagekampagne sowohl für die stationäre Pflege, die die «Abgeschobenen» betreut, als auch für die Angehörigen, die am Ende eines beschwerlichen Weges «abschieben», wäre vor diesem ideologischen Hintergrund eine fahrlässige Verschwendung von Steuergeld.
Was ist sonst zu hören über die Attraktivierung des Pflegeberufs? Ein freiwilliges soziales Jahr soll den Zugang für junge Menschen verbessern. Während in den Lehrberufen mit attraktivem Einkommen während der Ausbildung mit Führerschein-Kursen und Ähnlichem geworben wird, rückt man hier den Pflegeberuf von Beginn an in die Nähe der unbezahlten Tätigkeit.
Ein wahrhaft interessantes Gedankenexperiment. Ähnlich weit unten angesiedelt ist das Modell, sich als betreuender Angehöriger über eine Genossenschaft anstellen zu lassen und damit den Berufseinstieg für junge Menschen zu attraktivieren.
Andere Ideen gehen in Richtung einer Pflegelehre. Damit würde die Auffächerung der Berufsbilder nach unten noch weitergeführt – nach der Pflegeassistenz also auch noch «gelernte» Pflegende. Noch haben die Arbeitgeber nicht gelöst, was sie mit den bestehenden neuen Qualifikationen (vor allem der Pflegefachassistenz) anfangen sollen, da denkt man schon über eine zusätzliche Erweiterung am unteren Ende des Berufsspektrums nach. Dort sind auch die «Alltagsbegleiterinnen» angesiedelt, die in mehreren Bundesländern zur Angehörigenentlastung eingesetzt werden.
Die meist in Teilzeit angebotenen Jobs ermöglichen mit ihrem Einkommen kein Auskommen.
Nicht förderlich für das Image der Pflege sind zwei weitere Faktoren: Einerseits der Diskurs von Liebe und Herz, der die weichen, aufopferungsvollen Seiten des Berufs betont und Professionalität ausblendet. Damit wird monetäre Entlohnung weniger wichtig, weil angedeutet wird, dass die Arbeit aufgrund einer inneren Berufung ausgeführt und mit Befriedigung entlohnt wird.
Andererseits kommt es reflexartig zur Forderung, Langzeitarbeitslose umzuschulen, wenn von Personalmangel in der Pflege die Rede ist. Wie aber soll ein Beruf attraktiviert werden, den man jenen aufdrängt, die sonst nicht viele Chancen haben am Arbeitsmarkt, aus welchen Gründen auch immer?
Auch Asylberechtigte, so wird gern argumentiert, könnten ja zumindest in der Pflege gebraucht werden. Dass man die Kinderbeihilfe für Personen in der 24-Stunden-Betreuung kürzte, zeigt ebenfalls, dass sich zwischen angepeiltem Image und Realität grosse Gräben auftun.
Die medial transportierten Bilder von Pflege sind geprägt von Herzschmerz- oder Überlastungsgeschichten – auf die Individuen und das Gesamtsystem bezogen.
Manchmal verbinden sich die Stränge unter dem Motto «Harter Job mit ganz viel Herz». Die Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung führen durch die Mitleidsgeschichten bei aller Berechtigung zu einer weiteren Verschlechterung der öffentlichen Wahrnehmung. Die Bedingungen seien so unattraktiv, dass die Beschäftigten scharenweise davonlaufen würden, teilt die Gewerkschaft der Pflegenden mit.
Die Fülle der Berufsbilder in der Pflege – verschärft durch neun bundesländer-spezifische Regelungen – ist kaum zu durchblicken. In der Berufsorientierung junger Menschen, die im Alter von etwa 13 Jahren ansetzt, kommt die Pflege praktisch nicht vor – die Wege zwischen dem Ende der Schulpflicht und einer Pflegeausbildung bleiben nebulös.