Die Angst kommt nicht von ungefähr. Schon vor der Corona-Krise hatten etliche Pflegeheime Probleme mit Krankheitskeimen. Unter anderem deshalb, weil oft die simpelsten Hygiene-Regeln wie das Händewaschen nicht beachtet werden.
Allein in den USA ziehen sich die Bewohner solcher Einrichtungen nach Angaben der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC so jährlich ein bis drei Millionen schwere Infektionen zu. Schätzungsweise 380’000 der Fälle enden tödlich.
Zu Beginn der Corona-Krise ergriffen daher viele Pflegekräfte schlicht die Flucht. In Norditalien verließen die vorwiegend osteuropäischen Pflegekräfte aus Panik vor dem Virus und dem angekündigten Lockdown reihenweise das Land, wodurch der Zusammenbruch in der Altenpflege noch beschleunigt wurde. Viele hilfebedürftige Senioren waren von einem Tag auf den anderen auf sich gestellt.
Anfang April geriet eine Seniorenresidenz in Dorval bei Montréal (Kanada) in die Schlagzeilen.
Fast alle Pflegekräfte hatten das Heim aus Angst vor einer Ausbreitung des Virus fluchtartig verlassen.
Die Gesundheitsbehörden fanden die Bewohner erst Tage später. Viele der Überlebenden lagen in verschmutzten Betten,
dehydriert, unterernährt, teilnahmslos. Zwei Todesfälle blieben tagelang unbemerkt.
Der Gestank von Kot und Urin in den Zimmern hätte «ein Pferd umbringen können», berichtete eine Helferin dem kanadischen TV-Sender Global News. Am Ende hatten sich nur noch zwei Pfleger um die 130 Überlebenden gekümmert.
Das Heim galt als luxuriöse Seniorenresidenz. Pro Bewohner kassierte die Einrichtung mehrere Tausend Dollar für Pflege und Unterkunft. Die Eigentümerin der Einrichtung, eine Immobilienfirma namens Katasa, wollte sich gegenüber kanadischen Medien nicht zu dem Vorfall äußern.
Eine Sprecherin des Unternehmens, dem neben sechs weiteren Altersheimen mehrere Wohn- und Geschäftshäuser gehören, beteuerte, dass die Firma ihr Bestes tue, «um das Personal zu schützen und den Bewohner unter den schwierigen Umständen zu dienen».
Doch als Mitarbeiter der zuständigen Gesundheitsbehörde Einblick in die Akten der Bewohner nehmen wollen, verweigert ihnen das Unternehmen den Zugriff. Erst ein Erlass der Regierung schaffte Abhilfe.
Tatsächlich scheinen sich die Probleme und die Todesfälle gerade in den Altenheimen privater Betreiber zu häufen.
Beispiel Spanien. Dort haben inzwischen hunderte Angehörige von Corona-Opfern
Anzeigen gegen die Betreiber von Senioreneinrichtungen eingereicht. Auffallend viele, berichtete die Patientenorganisation Defensor del Paciente, richten sich gegen die Altersheimgruppe Orpea.
Das Unternehmen gehört zu den Big Playern der Szene und betreibt in ganz Europa größere Altersheime und Tagessstätten. Insgesamt befindet sich fast ein Drittel aller Pflegeheimplätze in Spanien in der Hand privater Investoren. Marktführer in Spanien ist das Unternehmen DomusVI, an zweiter Stelle folgt Orpea.