Blog Wolkenfische: Ich bin eine, die liebt
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Wolkenfische (11)

Du bist eine, die liebt

Tannenwald im Winter

Der Winterwind bläst durch die Tannen, und Schneefedern fegen über den Berg, an dessen Fuss du jetzt lebst. Du wartest nicht mehr darauf, dass ich dich mit mir nehme. Bild Karolina Pexels

Trauer, Kälte, Wind und Schnee – und dann fällt auch noch der Strom aus. Ich könnte vor Weihnachten flüchten, indem ich ans Meer reise. Doch auch dort wäre ich allein.

Winter

Lampen, eingelassen in der Betondecke, Gumminoppen in der Wand. – Du suchst in ihrer Anordnung Gesetzmässigkeiten und machst dir Sorgen: „Sie haben es vergessen. Sie müssen das zuerst noch erledigen.“ Ich sage: „Das sind Lampen, das sind Gumminoppen.“ Einen Moment lang bist du beruhigt, doch dann musst du wieder dafür sorgen, dass sie es zu Ende bringen.

Traum: Eine Frau führt uns einen steilen Waldpfad hinunter, so steil, dass es dir nicht möglich ist weiterzugehen – auch nicht mit meiner Hilfe. Ich rufe die Frau zurück. Sie soll uns helfen. Doch ich bin nicht sicher, ob sie mich hört.

Drei Mal sagst du: „Schade, dass meine Frau nicht da ist, und dass sie das nicht erleben kann.“ Ich sage: „Ich bin doch deine Frau.“ Aber du bist nicht überzeugt davon. Einmal sagst du: „Ja, aber die andere…“

Traumbotschaft: „Du bist keine, die geliebt werden soll, du bist eine, die liebt. – Warte nicht darauf, geliebt zu werden. Liebe selbst.“

Das Trinken gräbt die Trauer aus

Der Winterwind bläst durch die Tannen, und Schneefedern fegen über den Berg, an dessen Fuss du jetzt lebst. Du wartest nicht mehr darauf, dass ich dich mit mir nehme.

Später trinke ich Prosecco zum Abendessen. Doch das Trinken gräbt die Trauer aus, mit jedem Schluck tiefer.

Und dann fällt der Strom aus – nachts – und Schnee fällt. Wenn du jetzt bei mir wärst, könnte ich die Dunkelheit mit dir teilen wie früher auf der Insel, und es wäre, als ob sich die Furcht in gemeinsame Ratlosigkeit verwandelte.

Die Liste der möglichen Fluchten

Ich mache eine Liste der Möglichkeiten zur Flucht vor Weihnachten:

Ich könnte mir einen Ort ausdenken, nach dem ich unterwegs bin.

Ich könnte ein ‚offenes Haus‘ führen.

…und was macht die Kirche im Dorf für die Einsamen?

Der junge Bergsteiger hat auch nie mehr etwas von sich hören  lassen.

Vielleicht hätte das Hotel am Ort für mich allein gar keinen Tisch

Das Kloster bietet an, mit ‚Ihm‘ in Kontakt zu kommen, was ich so nicht sagen könnte. Aber ich könnte mich dort über die Tage einmieten – und wäre allein unter Fremden.

Ich könnte ans Meer reisen. Doch auch dort wäre ich allein…

Und hier: Würde diese Wohnung mit ihren weissen, kalten Wänden ein Zuhause werden, wenn ich alle Fensterläden herunterkurbelte? Wenn ich das Wohnzimmer in eine weltabgewandte Höhle

verwandelte?

Und zwischendurch vielleicht eine Postautofahrt in die Welt

hinaus?

Mit dir zusammen habe ich mich auch nie gefragt, wer allein ist an diesen Tagen.

Demenz und Sinnhaftigkeit

»Alles, was geschieht, ist gut«

2013 zeigen sich erste Symptome. Doch Marc will davon nichts wissen. Seine Frau Susanna, Dichterin und Verlegerin, pflegt ihn zuhause, bis es nicht … weiterlesen

Das Licht flirrt

Traum: Jeder Regentropfen hat seinen Platz.

In der Morgensonne, am Ostufer der Insel, liegt ein Stein mit Samtfransen.

Das Licht flirrt in wilden Strähnen über das Meer, unter dessen milchig-blauer Haut sich Wolken aufgewühlten Sands dem Grund entlang wälzen.

(Fortsetzung folgt)

Wir bedanken uns herzlich bei Susanna Erlanger, dass sie uns in vertrauensvoller Weise ihre persönlichen Texte zur Verfügung stellt.

«Nirgends anderswo wird so viel Wert auf differenzierte und anspruchsvolle Berichterstattung gelegt, als auf demenzjournal.com. Das Niveau ist stets hoch, dabei aber nicht abgehoben.»

Raphael Schönborn, Geschäftsführer Promenz, Wien

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