Die Überschrift dieses Artikels ist provokativ und kratzt bewusst an Tabus. Ich bin der Auffassung, dass wir darüber sprechen müssen. Bereits wird in der Politik laut darüber nachgedacht, ob «kleine Eingriffe» nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden sollen. Um Kosten zu sparen. Was ich von solchem Mumpitz halte, werde ich gerne weiter ausführen, sollte diese Idee konkreter werden.
Immer öfter stelle ich mir allerdings die Frage, ob es sinnvoll ist, alles was medizinisch machbar ist, auch wirklich zu tun.
Soll wirklich jeder Mensch eine mehrstündige Tumoroperation erhalten, ohne die realen Chancen auf Heilung und Remission zu beachten?
Der DRG (diagnosebezogene Fallgruppen) sorgt dafür, dass Patienten mit Komplikationen schnell defizitär werden. Dies geschieht, weil Komplikationen über den selben DRG Fall also dieselbe Pauschale laufen. Ist dieses Geld aufgebraucht, «zahlt» das Spital bei der Behandlung darauf.

Aus meiner Sicht legitimiert dies die Überlegung, eine Behandlung frühzeitig abzubrechen oder nicht bis aufs Äusserste zu eskalieren. Ich weiss, das klingt hart. Dies ist auch nicht die Haltung, die in unserem Gesundheitswesen Schule machen sollte.
Offensichtlich hat die Politik nicht den Willen, etwas an diesem Problem zu ändern. Sie ist nach wie vor der Meinung, dass Gesundheitseinrichtungen rentieren sollen. Das Limitieren von Behandlungen ist so gesehen logische Konsequenz.
Medizinische Wunder kosten nicht nur Geld, sondern auch Emotionen. Die Betroffenen benötigen eine Unmenge an Kraft, am Leben zu bleiben.
Eine sechs- bis achtstündige Tumoroperation geht, auch wenn sie ohne Komplikationen verläuft, unglaublich an die physische und psychische Substanz. Der Weg zur vollständigen Genesung ist lang und steinig.
Treten noch Komplikationen wie Wundheilungsstörungen oder Infektionen bis hin zu lebensgefährlicher Sepsis auf, verlängert sich dieser Weg um ein Vielfaches und kann unter Umständen ein Weiterleben mit grossen Einschränkungen bedeuten.
Madame Malevizia
In meiner Arbeit als Pflegende habe ich mehrere Menschen erlebt, die für den Rest ihres Lebens mit grossen Narben entstellt sind, Menschen, die nie wieder normal essen werden und Menschen, die kein selbständiges Leben mehr führen können.
Und immer wieder hörte und höre ich den Satz: «Ich hätte auf Operation und Behandlung verzichtet, wenn ich gewusst hätte, dass dies der Preis dafür ist.»
Auch die Angehörigen sind emotional stark belastet.
Dabei ist egal, ob es sich um den 60-jährigen Partner, die 80-jährige Mutter oder die 90-jährige Oma handelt: Es ist immer zu früh. Und dann sollen diese Angehörigen auch noch existentielle Entscheidungen treffen. Sich fragen zu müssen, ist eine Weiterbehandlung noch im Sinne meines Liebsten? Hat er überhaupt noch die Kraft zu kämpfen?
Die Pflegenden sowie die behandelnden Ärzte bezahlen ebenfalls einen emotionalen Preis. Um das Leben eines Menschen zu kämpfen, lässt niemanden kalt. Festzustellen, dass alle Behandlungsversuche erfolglos sind, kann frustrierend sein.
Eine Behandlung abzubrechen, wird noch immer von vielen Ärzten als persönliche Niederlage gesehen.
Mir passiert das immer dann, wenn ich Menschen mit Demenz Schmerz zufügen muss. Ihnen ist häufig nicht mehr verständlich, warum ich ihnen Blut abnehme, venöse Zugänge lege und so weiter. Dienen meine Interventionen dazu, diesem Menschen Leiden zu lindern, kann ich meinen eigenen Schmerz darüber hinnehmen.