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Alzheimer und wir

Liebe Mama, mir fehlen die Worte

Peggy Elfmann Blog

Peggy Elfmann hat ihrer verstorbenen Mutter einen Brief geschrieben, den wir hier nicht lesen werden. Bild Peggy Elfmann

Schon mehr als zwei Wochen ohne dich – und noch immer habe ich es nicht richtig verstanden. Vielleicht mit dem Kopf, aber nicht mit dem Herzen. Liebe Mama, mir fehlen die Worte.

Vor gut zwei Wochen habe ich den Anruf bekommen aus dem Pflegeheim: »Ihre Mutti ist gerade eingeschlafen.« Ich habe den Satz gehört, ihn nicht verstanden. Ich verstehe ihn noch immer nicht.

All die organisatorischen Dinge laufen ab, die so ablaufen, wenn ein Mensch diese Welt verlässt. Aber ich kann ihnen kaum folgen. Es fühlt sich an, wie ein Film, der an mir hinüberzieht. Ich stehe still, doch um mich herum dreht sich die Welt weiter. Wie kann sich die Welt weiterdrehen, wenn mein Herz doch einfach nur eines möchte: innehalten?

Liebe Mama, die Trauerrednerin hat gefragt, ob ich die Rede halten möchte. Ich habe das in vielen Filmen schon gesehen. Da stehen dann die Kinder auf und sprechen liebevolle, herzzerreißende Worte. Aber mir fehlen die Worte. Ich kann nicht mal im kleinen Kreis wirklich reden. Selbst lieben Menschen sage ich nur: »Meine Mama ist für immer eingeschlafen.« Die Angebote zum Reden sind lieb gemeint und ich weiß es sehr zu schätzen, aber ich mag nicht. Mir fehlen die Worte.

Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Franz Kafka

Nichts kann erklären, wie sehr ich dich vermisse. Und auch, wenn der Tod absehbar war, das ist er ja eigentlich immer, denn niemand kommt ohne ihn aus und mit einer fortgeschrittenen Demenz ist er irgendwie näher als in gesunden Tagen. Doch es ist, wie Franz Kafka es mal sagte: »Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.«

Peggy am Demenz Meet

Peggy Elfmann wird ihre Geschichte auch an den Demenz Meets Linz und Vorarlberg erzählen.
👉 Linz, 2. September
👉 Vorarlberg, 21. September

Liebe Mama, ich habe dir einen Brief geschrieben. Einen, von dem nur du und ich wissen werden. Ich gebe ihn dir mit und hoffe, dass die Worte dich irgendwie erreichen.

Ich bin dir dankbar für alles, für deine wirklich bedingungslose Liebe und dein Vertrauen in mich und den Mut, den du mir immer wieder gegeben hast. Papa hat vor Jahren mal gesagt: »Du hättest keine bessere Mutti haben können.« Wie wahr! Du warst und bist meine allerbeste Mama, auch wenn mir gerade die Worte fehlen.

Deine Peggy

«Information über Demenz bleibt zentral demenzjournal.com leistet einen wichtigen Beitrag dazu.»

Felix Gutzwiller, Sozial- und Präventivmedinziner, alt-Ständerat

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Dieser Beitrag erschien am 27. Januar 2024 auf Peggy Elfmanns Blog Alzheimer und wir. Zwei Wochen vorher war ihre Mutter gestorben. Peggy schreibt weiterhin Texte über ihr eigenes Erleben, die für andere Angehörige von Menschen mit Demenz sehr wertvoll sind. Im August wird im Hanser Verlag ihr Buch »Meine Eltern werden alt – 50 Ideen für ein gutes Miteinander« erscheinen. Wir bedanken uns herzlich bei Peggy, dass sie uns in vertrauensvoller Weise diese sehr persönlichen Beiträge und Fotos zur Verfügung stellt.