Vor ein paar Tagen hatte ich ein langes Gespräch mit Papa. Ich merke ja, wie anstrengend der Alltag für ihn mittlerweile oft ist; ab und zu erzählt er davon. Gerade die Pandemie hat für euch Belastungen mit sich gebracht und ich weiss, dass es oft nicht einfach war (und ist).
Papa und ich sprachen also mal ausführlich und in Ruhe und das war gut. Denn ich glaube, dass genau das für uns wichtig ist, um gemeinsam für dich da zu sein: sich immer wieder auszutauschen.
Ich mache mir viele Gedanken, wie ich euch helfen kann. Aber ich weiss, dass wir manchmal unterschiedliche Vorstellungen haben und deshalb manchmal ziemlich diskutieren.
Was mir von diesem Gespräch ganz besonders im Kopf bleibt, ist der Satz: «Sie ist tapfer».
Als Papa das sagte, nickte ich vorsichtig und sagte leise: «Ja, das ist sie». Ich war zunächst ein wenig überrascht, das muss ich zugeben. «tapfer» – das sage ich selten über dich.
Aber je mehr ich darüber nachdenke, umso überzeugter bin ich von dem, was Papa gesagt hat. Ich wünschte, ich hätte dir das auch gesagt. Denn: Liebe Mama, du bist tapfer!
Als tapfer bezeichnen wir Helden, die sich mutig, kühn und unerschrocken für etwas einsetzen oder in ein Abenteuer wagen. Die Vorläufer des Begriffs «Tapferkeit» gehen übers Mittelalter bis in die Antike zurück, so sagt es mir Wikipedia – und damals waren es vor allem Ritter und Krieger, die als tapfer bezeichnet wurden.
Für mich hat Tapferkeit nichts mit Kämpfen zu tun, zumindest nicht im Sinne von Gewalt.
Tapfer sein, das heisst für mich vor allem: mutig zu sein und seinen Weg zu gehen.
Auch wenn dieser nicht einfach ist, weil man Hindernisse überwinden muss.
Aber genau das warst du damals, nach der Diagnose Alzheimer: tapfer. Du hast geweint und warst traurig, aber hast dann doch weiter einen Alltag und Normalität gelebt, warst joggen und spazieren und hast dich von dieser Krankheit nicht unterkriegen lassen.