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Alzheimer und wir

Kontakt halten und helfen in Zeiten von Corona

Kinderzeichnungen sind ein Glücksbringer und Tröster in schwierigen Zeiten. Bild PD

Peggy Elfmann darf ihre Eltern nicht mehr besuchen. Jetzt ruft sie täglich bei ihnen an. Und sie schickt ihnen Zeichnungen, Bastelarbeiten und Lieder ihrer Kinder.

Momentan dreht sich unser aller Alltag um Corona. Ein Virus geht um die Welt, legt die Routinen lahm und wirbelt alles herum. Oberstes Gebot: zu Hause bleiben, auf direkte Kontakte mit anderen verzichten – zum eigenen Schutz und zum Schutz für andere.

Enkel sollen ihre Großeltern nicht sehen, Pflegeheime haben ein Besuchsverbot oder Besuchsbeschränkungen. Ich würde meine alzheimerkranke Mama gerne besuchen und bei ihr sein, aber alle Experten raten davon ab. Wie können wir Kontakt halten mit unseren Angehörigen mit Demenz?

Meine Gedanken kreisen in diesen Tagen um das Coronavirus. Wie könnten sie es auch nicht? Ich versuche den Alltag mit den Kindern zu strukturieren, was mehr schlecht als recht gelingt, und wir bleiben zu Hause, so wie es Experten raten.

Mal eine kleine Runde spazieren oder im Garten spielen, mehr geht nicht.

Zu gern würde ich meine Eltern besuchen. Gerade in Krisenzeiten rücke ich doch immer näher an sie heran und fühle mich geborgen bei ihnen. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich für meinen Papa eine gute Unterstützung wäre, wenn ich bei ihnen wäre.

Denn die Tagespflege meiner Mama hat bis auf Weiteres geschlossen, wie so viele Pflegeheime und -einrichtungen.

Tanzen und Zeichnen für Oma und Opa.Bild PD

Ich würde gerne für meine Mama da sein und Zeit mit ihr verbringen. Aber irgendwie rückt das gerade in eine ungewisse Ferne und ich frage mich, wann ich meine Mama wiedersehen werde. Meine große Angst ist ja doch, dass sie mich irgendwann nicht mehr erkennt. Was, wenn wir uns erst in Monaten sehen und ich dann wie eine Fremde für sie bin?

Was also tun? Wie kann ich aus der Ferne helfen? Wie gelingt das Kontakthalten? Dieses Problem, dass ich nicht tagtäglich da bin, haben wir ja fast immer. Aber jetzt ist doch eine besondere Situation. Eine Situation, die viele Fragen und Ängste aufwirft.

Eine Situation, von der niemand weiss, wie lange sie anhalten wird. Eine Situation, in der man eigentlich füreinander da sein müsste – und ich bin weit weg. 

Zugegeben, ich war ziemlich deprimiert. Nach viel Jammern habe ich gemerkt, dass das nichts bringt und mir auch nicht guttut. «Was kann ich konkret machen?», habe ich mich gefragt. Hinfahren geht nicht, technisch sind meine Eltern weder ausgestattet noch versiert, aber eines funktioniert immer: telefonieren.

Klar, warum auch nicht! Und besser als nichts. Meine erste Maßnahme war: häufiger anrufen. Und so kam es, dass ich fast jeden Tag bei meinen Eltern anrufe. Das hat zwei Vorteile:

  1. Meine Mama kann zwar nicht mehr viel sprechen und telefonieren, aber wenn Papa auf laut stellt (was er zum Glück immer macht), hört sie meine Stimme. Sie versteht vermutlich nicht viel von dem, was ich da erzähle, aber sie versteht, dass ich es bin. Vertraute Stimmen beruhigen Alzheimer-Betroffene. «Na, Mama, geht es dir gut?», frage ich sie manchmal. Ich bekomme nie mehr eine Reaktion auf meine Worte, aber Papa sagt dann: «Sie lächelt» oder «deine liebe Tochter ist am Telefon». Manchmal weint Mama auch, aus Freude, dass ich da bin. Das macht mich traurig, aber ich bin natürlich immer froh, dass ich sie doch irgendwie erreichen kann.
  2. Mein Papa hat ein bisschen Abwechslung und Unterhaltung. Jetzt, wo Mama nicht in die Tagespflege gehen kann, kümmert sich mein Papa alleine um Mama – und jeder, der einen dementen Angehörigen hat, weiß, wie nervenzehrend das sein kann. Ein paar belanglose Minuten mit mir tun ihm da manchmal sehr gut. Und ganz wichtig dieser Tage: Ich erkläre ihm viel über die aktuelle Corona-Pandemie. Was ursprünglich von vielen Forschern und auch mir als «nur eine Grippe» abgetan wurde, hat sich als ernsthafte Krise entpuppt. Meinem Papa ist das nicht unbedingt bewusst. Gut, wenn er da eine Tochter und einen Sohn hat, die ihn nerven und immer wieder zur Vorsicht mahnen.

Und natürlich rufe ich nicht nur an, sondern schicke Fotos von mir oder von den Kindern. Wie gut, dass es diese Möglichkeit heute gibt.

Enkel basteln für die Grosseltern

«Wollen wir Oma und Opa nicht eine Karte schreiben?», habe ich an einen dieser schulfreien Tage meine Kinder gefragt. Wir hatten Unmengen an Malvorlagen und Papier ausgebreitet, sodass es irgendwie logisch erschien, eine Karte zu basteln. 

Meine Mittlere machte sich sofort ans Werk und noch vor dem Frühstück hatte sie eine wunderschöne Karte fertig gemalt und geschrieben. Wir haben sie am Nachmittag gleich verschickt und zwei Tage später bedankte sich mein Papa bei meiner Tochter.

Der bunte Schmetterling kam bei den Grosseltern sehr gut an.Bild PD

«Das war aber lieb von dir», erzählte er freudig und auch sie strahlte. Ich hoffe sehr, dass die Karte bei meinen Eltern im Flur hängt, und der bunte Schmetterling auch meine Mama erfreut. Natürlich ist dies nichts, was meiner Mama primär nutzt.

Aber ich glaube, dass es in der aktuellen Situation darauf ankommt, meinen Papa als pflegenden Angehörigen zu unterstützen.

Dass er mit der Situation überfordert und ein Stück weit einsam ist, vergesse ich manchmal. Auch, weil er zu den Menschen gehört, die sagen: «Das schaffe ich schon, mach dir mal keine Sorgen um mich.» Das ist lieb von ihm, denn er will mich schonen.

Aber andererseits würde es ihm vielleicht auch guttun, sich mehr helfen zu lassen. Wenn ich oder die Kinder meinem Papa ein paar frohe Momente bescheren, dann tut ihm das gut und dann kann er sich wieder besser um Mama kümmern. Wir haben deshalb noch ein paar mehr Karten gebastelt – und werden sie nach und nach schicken. 

Singen für Menschen mit Demenz: Musik berührt

Und dann hatte ich ein wunderbares Gespräch mit drei tollen Frauen. Tamara Ameling, eine erfahrene Demenzberaterin, startete die Initiative per Zoom. Dabei waren Bianca Thönes und Bärbel vom Verein Kideti e.V. Sie alle sind erfahren im Umgang mit Demenzpatienten. Als ich so von meinen Gedanken und Sorgen berichtete, hatten sie gleich jede Menge Ideen.

Tamara schlug vor, gemeinsam zu singen. «Ich und singen?», dachte ich ein wenig entsetzt. Ich erinnerte mich, wie viel Überwindung es mich bei meiner großen Tochter damals kostete, sie vor anderen in den Schlaf zu singen.

Beim dritten Kind ging das schon besser, aber vor dem Singen habe ich doch immer noch Bammel. «Es kommt gar nicht darauf an, wie gut du singst und was du singst. Aber Musik berührt einfach und das könnte eine Möglichkeit sein, deine Mama zu erreichen», erklärte sie mir. Und wenn es jemand wissen muss, dann sie, denn sie macht spezielle Musikangebote für Demenzkranke und singt zum Beispiel in Senioreneinrichtungen. 

Ich gebe zu, so richtig getraut habe ich mich nicht. Ich brauchte meine kleinste Tochter. «Wollen wir was für die Oma singen?», habe ich sie gefragt. Und sie war sofort dabei. Während ich noch überlegte, welches Lied wir singen, wusste meine Tochter sofort, was es sein sollte: «In der Weihnachtsbäckerei».

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Ich wollte schon abwiegeln, aber dann habe ich mich an die Worte von Tamara erinnert und gedacht, wieso eigentlich nicht. Bei schönsten Frühlings-Sonnenstrahlen haben wir also «In der Weihnachtsbäckerei» gesungen. 

Und ich habe mich erinnert, dass meine Mama dieses Lied immer gerne mochte und dass sie die beste Bäckerin auf der ganzen Welt war. Wir haben gesungen – und das Video an Mama und Papa geschickt. Damit sie es immer und immer wieder anschauen können – und ich ihnen ein wenig nahe sein kann, auch wenn ich eigentlich weit weg bin.

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