«Die Greise sind noch einmal so kindisch wie die Kinder», hielt der Dichter Aristophanes im 5. Jahrhundert v. Chr. in seiner Komödie Die Wolken fest. Deswegen könne man sie auch so behandeln – und aus erzieherischen Gründen verprügeln, wenn sie unartig seien, behauptet eine der Hauptfiguren des Theaterstücks.
Das hohe Lebensalter als eine Rückkehr in die Kindheit zu betrachten, hat mithin eine lange Tradition. Wer heutzutage die Zeitung aufschlägt, findet dieses Bild ebenfalls, oft auch in Artikeln über Demenz:
Als die Krankheit, die dazu führt, dass «die Betroffenen irgendwann hilflos wie die Kinder sind und ebenso naiv erscheinen», charakterisiert etwa die deutsche Tageszeitung Die Welt die Demenz.
Weil das Kurzzeitgedächtnis schwindet, leben die Leute in der Vergangenheit, heisst es bisweilen. Warum ihnen also nicht Spielzeug in die Hand drücken?
Üblich ist es allemal, diese Menschen mit Dingen zu beschäftigen, die wir sonst für Kinder vorsehen: In Pflegeheimen gibt es Kuscheltiere, Kinderlieder schallen aus dem Lautsprecher, der Samichlaus bringt Guetsli, die Pflegende spricht in Babysprache mit dem Bewohner und in der Aktivierungstherapie bemalen die Leute Tannenzapfen oder basteln Bleistiftständer aus Klopapierrollen.
Hersteller von Medizinprodukten entwickeln eine ganze Schar von Therapiepuppen eigens für Menschen mit Demenz, die angeblich eindrucksvolle Wirkung entfalten:
Sie vermitteln ein «Gefühl von Geborgenheit», lassen eine «wunderbare Beziehung zu der Puppe» entstehen und geben den Menschen eine Aufgabe, denn «die Kinder wollen und müssen gut versorgt werden», so steht es etwa auf der Website der Firma Pri-Medical.
Und das soll einen nicht irritieren?
Wenngleich die Werbetexte verstören mögen, transportieren sie letztlich nichts anderes als das gängige Argument, das stets ertönt, wenn man Menschen mit Demenz Sonderbehandlungen angedeihen lässt: Es dient ihrem Wohlbefinden. Sich um eine Puppe zu kümmern, bereitet einigen offenkundig Freude.
Dafür findet sich auch ein berühmtes Beispiel, nämlich der deutsche Intellektuelle Walter Jens, 2013 nach rund zehn Jahren Krankheit verstorben.
Sein Sohn Tilman schildert in dem Buch Demenz. Abschied von meinem Vater dessen letzte Lebensjahre. Ganz am Schluss spricht er vom Spielzeug, den Malbüchern, der bunten Kinderknete und der Babypuppe – und davon, dass sich der Vater wohlfühlt.