Wer einen anderen Menschen anfasst, lässt ihm ein wahres Wundermittel angedeihen: Berührungen stärken das Immunsystem, reduzieren Stress und senken den Blutdruck. Sie lassen uns Schmerzen besser ertragen, Wunden heilen rascher.
Sogar schlauer können sie uns machen, weil wir uns Dinge besser merken und leichter lernen, wenn wir berührt werden. Auch wenn wir uns selbst in einem Gespräch ins Gesicht fassen, hat es eine Wirkung: Wir regulieren unsere Emotionen und erinnern uns an Vergessenes.
Der Einsatz von Berührungen erfolgt oft gezielt. Beim Segen bekommt jemand ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet, um die Zuwendung Gottes spürbar zu machen. Die Evangelisten erzählen an vielen Stellen im Neuen Testament, wie Jesus Menschen heilte, indem er sie berührte.
Auch andere Religionen kennen das Handauflegen; es gehört zu den ältesten Praktiken der Heilkunst.
Bisweilen zahlen wir sogar dafür, dass man uns berührt, etwa wenn uns die Physiotherapeutin massiert. Aus New York ist die Idee der Kuschelpartys zu uns gelangt: Eine Gruppe von Menschen trifft sich, um miteinander zu kuscheln, ohne sexuelle Absichten, allerdings gegen Geld.
Kostenlos bieten dagegen gelegentlich Leute in Fussgängerzonen eine Umarmung an, indem sie auf grossen Schildern dafür werben. Und schliesslich wird am 21. Januar der Weltknuddeltag mit Umarmungen begangen.
Wer einander berührt, kommuniziert, ohne Worte. Eine unschätzbare Weise der Kontaktnahme für Menschen mit Demenz, wenn sie die Fähigkeit verlieren, ein Gespräch zu führen. Gefühle vermitteln sich auch über den körperlichen Kontakt; Zuneigung, Freude, aber auch Abwehr lassen sich zum Ausdruck bringen. Und Beziehungen entstehen, eine nonverbale Interaktion, in der man das Gegenüber ebenso wie sich selbst spürt.
«Jedwede Kreatur hat einen Urtrieb nach liebender Umarmung», hielt die Mystikerin Hildegard von Bingen fest. Was könnte man also gegen Berührungen haben?
Die positiven Wirkungen stellen sich freilich nicht automatisch ein. Es ist eine Binsenweisheit, dass sich nicht jede Berührung mit einem guten Gefühl verbindet. Eine Ohrfeige oder ein Fusstritt bedeuten Schmerzen; versetzt ein Mann ungefragt einer Frau einen Klapps auf den Po oder begrapscht ihre Brüste, fühlt sie sich womöglich gedemütigt und verspürt Wut oder Abscheu.
Schlimmste Szenarien lassen sich denken, wie jemand gegen seinen Willen berührt wird, Schläge, Folter, Vergewaltigung, Mord: gewalttätige Formen der Berührung.
Wer einen anderen berührt, übt unter Umständen Macht aus. In jedem Fall, ob als angenehm empfunden, unwillig ertragen oder vehement abgelehnt, bleiben Berührungen nicht harmlos.