1. November 2022
Im Sommer 1980 war es so weit. Drei Frauen mieteten leerstehende Räume in der Lindenallee 40 in Eimsbüttel. Eine gab Malkurse, eine lehrte das Töpfern und Frederike Frei eröffnete das Literaturpostamt. Das Wort Amt musste sie nach Beschwerden der Deutschen Bundespost schon bald aus dem Namen streichen. Es blieb die Literaturpost und die wuchs und gedieh. Du gehörtest zu den vielen, die sich für die Literaturpost engagierten. Sich engagieren, das hieß: Texte, die geschickt oder vorbeigebracht wurden, zu kopieren, zu sortieren und in DIN-A5-Briefumschläge einzutüten.
Es gab Literaturpostbriefe zu den Themen Liebe, Umwelt, Frauen, AKW, Natur, Arbeit, Knast, Dicksein als Frau, Tagebuch, Schule, Kinder und vieles mehr. Die Briefe wurden für 2,- DM das Stück auf Marktplätzen, bei Festivals, Lesungen etc. verkauft. In der Literaturpost wurden wöchentlich Rundumlesungen veranstaltet, bei denen jeder, der sich traute, jede, die es wollte, eigene Texte vorlesen konnte. Außerdem gab es zwei Schreibgruppen: die Frauenschreibgruppe und die gemischte Donnerstagsgruppe. Du als Mann nahmst naturgemäß an der Donnerstagsgruppe teil.
Hier tauche ich langsam am Horizont deines Lebens auf, aber noch können wir zusammen nicht kommen, denn ich war in der Frauenschreibgruppe und die traf sich mittwochs.