Wie Werner Leypoldt durch die Kunst neue Ausdruckskraft fand
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Konfetti im Kopf

Farben als Sprache und geschenkte Zeit 

Werner Leypoldt

Werner Leypoldt malte innerhalb von eineinhalb Jahren über 160 Bilder. Bild Michael Hagedorn

Farben wurden zu seiner Sprache: Werner Leypoldt fand mitten in der Demenz einen neuen Ausdruck, der sein Leben und das seiner Frau verwandelte. Aus stiller Not entstand eine überraschende Kreativität – und eine gemeinsame Zeit, die sich wie ein Geschenk anfühlte.

Manchmal öffnet sich eine Tür, von der niemand geahnt hätte, dass sie existiert. Bei Werner Leypoldt aus Lörrach war es die Malerei. Erst vier Jahre nach seiner Diagnose einer semantischen Demenz kam er im Alzheimertherapiezentrum in Bad Aibling erstmals mit Kunst in Berührung. Eine Kunsttherapeutin stellte dort fest, dass er einen erstaunlich feinen Umgang mit Farben hatte und ermutigte seine Frau Elfriede, diesen neuen Zugang auch zu Hause zu fördern. 

Anfangs war es schwierig, die passenden Materialien zu finden, denn Werner Leypoldt konnte sprachlich nicht mehr artikulieren, was ihm gefiel. Doch als seine Frau schließlich das Richtige besorgt hatte, begann etwas, das kaum mehr aufzuhalten war: Werner Leypoldt malte. Eigeninitiativ, Tag für Tag, Stunde um Stunde, manchmal wie im Fluss. Die Geburtststunde eines für mich großen Künstlers.

Innerhalb von nur etwa eineinhalb Jahren entstanden über 160 Gemälde – jedes mit einer unverwechselbaren Handschrift, das vom ersten abstrakten Bild an voller individueller Ausdruckskraft war. »Er fand durch die Kunst einen neuen Ausdruck, den er zuvor nie hatte,« erinnert sich seine Frau. »Die Malerei hat uns eine geschenkte Zeit ermöglicht.«

Mich persönlich haben diese Bilder tief berührt und hunderte fantasievoller Skulpturen, die er quasi nebenbei geschaffen hat. Sie erzählen von einer inneren Welt, die Worte nicht mehr fassen konnten. Jeder Pinselstrich spricht von Emotionen, von Kraft, von einem Selbstausdruck, der sich trotz – oder gerade wegen – der Demenz entfalten konnte. Elfriede Leypoldt beschreibt es so: »Er hat die Farben genutzt, um sich auszudrücken, wo Worte versagten.« 

»Die Peer-to-Peer-Videos der demenzworld sind äußerst wertvoll. Ich verwende sie in meinem Demenz-Modul, da sie die Perspektive von Menschen mit Demenz veranschaulichen und ein differenzierteres Bild vermitteln.«

Prof. Dr. Anne Roll, Hochschule Bochum

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In meinen Begegnungen mit dem Ehepaar habe ich nicht nur seine Bilder gesehen, sondern auch die stille Hingabe, mit der die Ehefrau diesen Weg möglich machte. Für sie war es ein Akt der Liebe und Geduld – und für ihn ein Fenster in eine Freiheit, die ihm die Demenz nicht nehmen konnte, im Gegenteil. »Er war in der Kunst frei von den Zwängen des Alltags,« sagt sie. »Mein Mann wurde durch die Kunst ein anderer, glücklicherer Mensch.«

Für mich ist seine Geschichte ein Sinnbild: Auch dort, wo scheinbar vieles verloren geht, kann Neues entstehen. Kunst kann Brücke sein – zu Gefühlen, zum Leben, zum Miteinander. Werner Leipolds Werke sind mehr als Bilder. Sie sind Zeugnisse dafür, dass Kreativität auch mitten in der Demenz aufblühen kann. Und wenn Kreativität etwas tief in uns Wohnendes ist, das sich Bahn brechen kann und will, dann ist die Geschichte von Werner Leypoldt für mich das schönste Beispiel dafür.

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