Nach der Euphorie kommt die Ernüchterung

Neue Medikamente

Nach der Euphorie kommt die Ernüchterung

Leqembi

Soll in Europa nicht zugelassen werden: Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab. Bild PD

Das gleiche Prozedere wiederholt sich seit Jahrzehnten: Forscher und Pharmakonzerne versprechen ein neues, wirksames Medikament gegen Alzheimer. Zwei Jahre nach Aducanumab (Markenname Aduhelm) ist nun Lecanemab (Leqembi) an der Reihe. Das Medikament hatte vor einem Jahr an Fachkongressen viel Applaus bekommen.

Ebenso zuverlässig folgt auf die Euphorie die Ernüchterung. Lecanemab kann den Fortschritt einer Alzheimer-Erkrankung höchstens um Monate verzögern. Und es kann starke Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder -blutungen verursachen. Zu diesem Schluss ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA gekommen. Sie empfiehlt Lecanemab deshalb nicht zur Zulassung, die Risken seien zu groß. Das ist ein erstaunlicher Befund, wenn man bedenkt, dass die Behandlung mit diesem Medikament jährlich über 20’000 Euro kosten würde. Hinzu kommen Kosten für die Verabreichung von Infusionen und zur Überwachung der Patienten.

Was in den USA funktioniert hatte – dort ist Lecanemab im Juli zugelassen worden – geht in Europa nicht. Der Grund dafür dürfte sein, dass bei uns die Verstrickungen zwischen Arzneimittelbehörden und Pharma (noch) weniger ausgeprägt sind.

Es ist sehr schade, dass es noch immer keine wirksamen Medikamente gegen Alzheimer gibt. Wenn es sie gäbe, könnten viel menschliches Leid und immense Kosten vermieden werden. Bei allem Eifer der Forscher und der Pharmakonzerne wundert mich etwas: Dass noch immer Medikamente auf den Markt kommen, die den Amyloid-Plaques (Proteinablagerungen) im Gehirn den Garaus machen sollen. Dabei ist es wissenschaftlich nicht belegt, ob eine Reduktion oder Entfernung der Amyloid-Plaques helfen kann. Die Menge der Amyloid-Plaques im Gehirn korreliert nicht mit dem Krankheitsbild. Schätzungsweise ein Drittel aller geistig gesunden Personen weist im hohen Alter die vermeintlich bösen Proteinablagerungen im Gehirn auf – ohne irgendwelche Anzeichen einer Demenz aufzuweisen.

Und wie geht es nun weiter? Wahrscheinlich wird schon bald ein neuer Wirkstoff gegen Alzheimer für Furore sorgen. Und wir hoffen, dass es einer sein wird, der wirkt, kaum Nebenwirkungen hat und nicht tausende von Euros kostet.