Das stärkere und engagiertere Geschlecht - demenzjournal.com
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Männermangel

Das stärkere und engagiertere Geschlecht

Frauen, Frauen, so weit das Auge reicht... Bild PD

Vermitteln, inspirieren und netzwerken: Dies stand auch beim diesjährigen St. Galler Demenzkongress zum Thema «Sinn und Sinnlichkeit» im Vordergrund. Der für mich eindrücklichste Moment der Veranstaltung hatte aber damit nichts zu tun.

Es war spät am Nachmittag, eine halbe Stunde vor Ende des Kongresses, als der Moderator Christian Johannes Käser das müde gewordenen Publikum zu körperlich-sinnlichen Aktivitäten aufforderte.

So kam es dazu, dass sich alle anwesenden Männer aus ihren Stühlen erhoben, während die Frauen sitzen blieben. Von den 1000 Teilnehmenden standen gerade mal (geschätzte) 50 bis 100. Immerhin geht es ja bei Demenz um eine der grössten Herausforderungen, der sich unsere Gesellschaft heute und in der Zukunft stellen muss.

Es ist – so finde ich – ein verheerendes Zeugnis, wenn der Männeranteil am Schweizer Demenz-Gipfeltreffen nur fünf bis zehn Prozent beträgt.

In den Pausen hatte ich Gelegenheit, mit etlichen Teilnehmerinnen zu sprechen (die wenigen Männer hatten Wichtigeres zu tun). Ich war beeindruckt von diesen Frauen: Eine Studentin, die in der Gerontopsychiatrie ein Praktikum absolviert und sich in diesem Bereich weiterentwickeln will.

Eine vielschichtig engagierte Stationsleiterin, die für einen lustvollen Bewohner keine Sexualtherapeutin holen darf, weil es der Heimleiter (ein Mann) verbietet. Eine pensionierte Frau, die für eine Kirchgemeinde den Bereich «palliative Pflege zu Hause» koordiniert – freiwillig und ohne Lohn. Eine Pflegerin, die sich weitergebildet hat und jetzt mit Menschen mit Demenz musiziert.

Ach ja, ein Programm und Referate gab es auch. Sehr gute Referate sogar. Zum Beispiel jenes des Philosophen Wilhelm Schmid über Sinn und Sinnlichkeit im Umgang mit Menschen mit Demenz. Oder der Vortrag des Gourmet-Kochs Rolf Caviezl «Essen mit Genuss trotz Einschränkung».

Natürlich wurden auch an diesem Kongress kalter Kaffee aufgewärmt und empirisch Einleuchtendes als Ergebnis aufwändigster Forschungen verkauft. Insgesamt war es für mich ein sehr inspirierender Tag mit schönen Begegnungen und viel Sinnlichkeit.

Die grosse Mehrheit der Männer hatte wohl Wichtigeres zu tun. Will meinen: Umsätze steigern, Renditen optimieren, besser haftende Autoreifen entwickeln oder ein neues Joghurt-Etikett entwerfen. Ich überlasse es Ihnen zu entscheiden, was mehr Sinn macht.