Demenz-Mutmachgeschichte: Es braucht ein gutes Netzwerk
chatbot

Mutmachgeschichte (8)

»Es braucht ein gutes Netzwerk vor Ort«

Peggy Elfmann Mutmachgeschichte

»Lange hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Eltern gerne mehr helfen wollte«, sagt Peggy Elfmann. Bild Marc Schneider, New Media Design

Peggy Elfmann wohnt mit ihren Kindern in München. Als ihre Mutter Kerstin erkrankte, wurde die große Distanz zwischen ihren Wohnorten zu einer Herausforderung.

Peggy

Als ihre Mutter die Diagnose Alzheimer erhielt, stand für Peggy Elfmann fest, dass sie für sie da sein und sie unterstützen möchte. Zu Beginn ist die Distanz von 350 Kilometern zu ihren Eltern kein Problem. Mutter war nicht allein, Vater kümmerte sich liebevoll um sie. Die Eltern machten früh klar, dass sie nicht erwarten und möchten, dass die Tochter ihretwegen umzieht. »Doch mit der Zeit brauchte Mama – und auch Papa – mehr Unterstützung. Es ging um praktische Hilfe im Alltag, Rat bei Entscheidungen oder einfach da sein und miteinander sprechen«, erzählt Peggy.

Unsere Herausforderung

Die Eltern machen früh klar, dass sie nicht erwarten und möchten, dass die Tochter ihretwegen umzieht. »Doch mit der Zeit brauchte Mama – und auch Papa – mehr Unterstützung. Es ging um praktische Hilfe im Alltag, Rat bei Entscheidungen oder einfach da sein und miteinander sprechen«, erzählt Peggy. Sie versucht so oft es geht, vor Ort zu sein, aber ist im Alltag häufig nicht da. Dafür müsse man Lösungen finden, so Peggy: »Man kann viel helfen, aber kann nicht alles allein machen. Wer sich aus der Ferne kümmert, braucht ein gutes Netzwerk vor Ort.«

Hier geht’s zu Peggy Elfmanns Podcast »Leben. Lieben. Pflegen.«

Das haben wir gemacht

Mein Bruder und ich fuhren relativ häufig zu meinen Eltern, um vor Ort zu helfen. Wir nutzten dazu Urlaubstage oder Homeoffice. Das erleichterte vieles und so können wir zum Beispiel bei wichtigen Arztterminen begleiten. Im Alltag konnten wir allerdings wenig anpacken und Papa kaum Auszeiten vom Pflegen ermöglichen, weil wir meist nicht da waren. Wir bauten nach und nach ein Netzwerk auf, um Papa mehr Unterstützung zu geben.

Die erste Maßnahme war die Tagespflege, in die Mama zwei Tage pro Woche ging. Dies gab Mama Abwechslung und Förderung, und Papa Freiraum für sich. Später kam auch ein ambulanter Pflegedienst regelmäßig nach Hause, wir hatten einen Fahrdienst für die Tagespflege, eine Hilfe für Garten und Haushalt sowie die Fußpflege, die Hausbesuche machte. Wenn man die Dinge nicht selbst machen kann, dann braucht es solche Helfer – und die kann man gut aus der Ferne recherchieren und organisieren.

Was ich gelernt habe

Lange hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Eltern gerne mehr helfen wollte – und das im Alltag nicht geschafft habe. Ich wusste, wie sehr sich Mama freut, wenn ich da war und dass es meinem Papa schon hilft, wenn er mal eine kleine Pause vom Pflegen und jemandem zum Reden hatte. Ich habe mich zerrissen gefühlt, dazu die Schuldgefühle. Viele Gespräche mit Freundinnen halfen mir anzuerkennen, was ich alles leistete.

«Diese Art von Journalismus hilft Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen. demenzjournal.com ist eine äusserst wertvolle Plattform, nicht zum Vergessen!»

Irene Bopp, ehemalig Leitende Ärztin Memory Clinic Waid in Zürich

Jetzt spenden

Ich war nicht täglich da, aber ich tat mein Bestes. Kümmern aus der Ferne ist ein Kompromiss und man muss Abstriche von seinem Idealbild machen. Aber es ist wichtig, zu sehen und wertzuschätzen, was man alles leistet und dass man auch aus der Ferne eine wichtige Unterstützung leistet. Ich nahm mir bewusst Zeiten für meine Mama, verbrachte Zeit mit ihr, unterstützte aus der Ferne und achtete dabei auch auf mich. Pflegen aus der Ferne ist ein Kompromiss: Man kann viel helfen, aber kann nicht alles allein machen. Damit die Angehörigen gut versorgt sind, braucht es ein Netzwerk. Man muss viel kommunizieren und sich regelmäßig austauschen.

> Hier geht’s zu Peggy Elfmanns Buch »Meine Eltern werden alt – 50 Ideen für ein gutes Miteinander«

Peggy Elfmann und ihre Mutter
Peggy und ihre Mutter hatten eine sehr enge Bindung – auch wenn sie weiter voneinander entfernt lebten.Bild Peggy Elfmann

Das sollte sich ändern

Es gibt etliche Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, aber man muss sie sich mühsam zusammen suchen und häufig viel Eigeninitiative aufbringen, um sie zu nutzen. Dabei fällt es doch sowieso schon schwer genug, externe Hilfe zu nutzen, weil es sich immer ein wenig wie Versagen anfühlt. Dazu kommt, dass es in vielen Regionen an Angeboten mangelt. Dort gibt es nicht genug Plätze für Kurzzeitpflege oder Tagespflege oder Helferdienste. Ich wünsche mir, dass die Politik umsetzbare Lösungen für mehr Unterstützung für die häusliche Pflege findet – und wir wirklich so etwas wie eine sorgende Gemeinschaft werden.

Anmerkung der Redaktion: Peggy Elfmanns Mutter ist im Januar 2024 gestorben.

Unsere Partner von Desideria in München haben diese Mutmachgeschichte aufgezeichnet und auf der Website www.desideria.org veröffentlicht. Wir bedanken uns herzlich bei Desideria Care und beim Fotografen Marc Schneider für die Gelegenheit zur Zweitverwertung.

Peggy und ihre Mutter Kerstin

»Meine Eltern werden alt«

Die Eltern beim Älterwerden begleiten

Irgendwann ist es soweit: Die Eltern sind alt und brauchen Hilfe. Doch wie geht es dann für sie und ihre erwachsenen Kinder weiter? … weiterlesen