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Vorsorgevollmacht

Wer übernimmt die Regie?

Mit einer Vorsorgevollmacht lassen sich Risiken verringern. Bild Daniel Kellenberger

Ein Unfall, ein Hirnschlag, eine Operation im höheren Alter oder eine Demenz – zahlreiche Ursachen können dazu führen, dass das Denkvermögen eines Menschen schwer beeinträchtigt ist. Wer vermeiden will, dass der Falsche die Regie übernimmt, sollte eine Vorsorgevollmacht haben.

Viele Menschen ahnen nicht: Weder der Ehegatte noch die Kinder oder andere nahe Angehörige sind automatisch dazu berechtigt, für den Patienten zu handeln, wenn dieser zum Beispiel im Koma liegt oder an einer Demenz erkrankt. Fehlt eine Vorsorgevollmacht (Schweiz: Vorsorgeauftrag), kommt es zunächst zu einem Stillstand. 

Niemand darf ohne weiteres die Post des Betroffenen öffnen, Geld von dessen Konto abheben oder Entscheidungen über medizinische Massnahmen treffen.

Innerhalb kurzer Zeit häufen sich dadurch unerledigte Dinge an. Zumal nach einem Verkehrsunfall oder bei einem Krankenhausaufenthalt etliche zusätzliche Aufgaben anfallen, wie die Klärung von Versicherungsfragen oder Abrechnungen für stationäre Behandlungen.

Die Situation in Deutschland

Dieser Beitrag beleuchtet die rechtliche und ethische Situation rund um die Vorsorgevollmacht in Deutschland. Sowohl in der Schweiz wie auch in Österreich wird es zwar rechtlich ähnlich gehandhabt, unterscheidet sich aber im Vollzug in einigen wichtigen Punkten. Darauf werden wir zu einem späteren Zeitpunkt eingehen.

Bevor irgendjemand stellvertretend für den Patienten handeln kann, leitet das zuständige Gericht (Schweiz: KESB) ein Verfahren ein, um einen gesetzlichen Betreuer zu bestimmen. Dafür wird die Richterin oder der Richter zwar in der Regel versuchen, im familiären Umfeld eine Person zu finden, die den Betroffenen gut kennt und weiß, wie er seine Dinge hochwahrscheinlich selbst geregelt hätte.

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Aber es kann auch sein, dass sich für das Gericht (oder die KESB) kein klares Bild ergibt, wer von den Angehörigen am besten geeignet ist, die Betreuung zu übernehmen, oder dass es einen Interessenkonflikt sieht. Dann wird ein Berufsbetreuer eingesetzt, der den Betroffenen in der Regel nicht kennt und vermutlich Mühe hat, dessen Wünsche in Erfahrung zu bringen, wenn sie oder er überhaupt die Zeit dafür aufbringen kann – oder will.

Tatsächlich ist manch einem Patienten die Bestellung eines fremden Betreuers bereits zum Verhängnis geworden. Immer wieder berichten Medien über Fälle, in denen Betreuer hilflos gewordene Menschen vernachlässigt oder sich an deren Vermögen bereichert haben.

Eine Vorsorgevollmacht regelt die Zuständigkeit bei Pflege und Betreuung – aber auch in finanziellen Belangen.Bild Daniel Kellenberger

Die Hamburger Rentnerin Christa Lange hat das am eigenen Leib erlebt. Als ihr Partner 2009 starb, brach sie zusammen, kam auf die Intensivstation und lag mehrere Wochen im Koma. Weil niemand widersprach, niemand für sie die Stimme erhob und sie in einem Zweibettzimmer mit einer demenzkranken Frau in einem Pflegeheim vor sich hinvegetierte, wurde auch Lange für dement erklärt.

Weil ihr Sohn überfordert ist, setzt das Amtsgericht eine Betreuerin ein. Die löst nach kürzester Zeit Langes Wohnung auf und verkauft alle Möbel.

Als die heute 70-jährige wieder zu sich kommt, wehrt sie sich – gegen die Bevormundung im Pflegeheim, vor allem aber gegen die Betreuerin selbst.

Die reagiert verärgert und behauptet, Christa Lange sei «nicht in der Lage, ihr Verhalten zu steuern». Sie unterstellt der älteren Dame „pathogene Verhaltensmuster“ und dringt darauf, die Betreuung fortzuführen. Immer wieder bescheinigen zudem Ärzte, dass Lange geistig umnachtet sei.

Erst Jahre später gelingt Lange das scheinbar Unmögliche. Mit Hilfe einer Anwältin erreicht sie, dass der Amtsrichter die Betreuung aufhebt. Auch die Diagnose Demenz wird revidiert. Langes Wohnung, ihre Möbel und ihr kleines Vermögen, das sie sich fürs Alter angespart hatte, sind allerdings für immer verloren.

Mit einer Vorsorgevollmacht lassen sich derlei Risiken erheblich verringern. Damit beauftragen Sie eine Person Ihres Vertrauens, stellvertretend für Sie zu handeln, zu entscheiden und Verträge abzuschliessen – entweder umfassend oder in abgegrenzten Bereichen.

Sie bestimmen selbst, wer das sein soll und verhindern, dass ein Gericht das tut. Voraussetzung für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht ist nur, dass Sie volljährig und uneingeschränkt geschäftsfähig sind.

Allerdings sollte man eine solche Vorsorgevollmacht nicht leichtsinnig erteilen. Denn der Bevollmächtigte unterliegt – anders als ein bestellter Betreuer – keiner gerichtlichen Kontrolle.

Wichtig ist daher, sich vorher auf jeden Fall bei einer neutralen Stelle umfassend informieren und beraten zu lassen, zum Beispiel bei einer Seniorenberatungsstelle, einem Rechtsanwalt oder der Verbraucherzentrale.

Wie sucht man den richtigen Bevollmächtigten aus?

Bevor Sie einer anderen Person eine Vollmacht erteilen, sollten Sie auf mehrere Punkte achten. Wählen Sie am besten jemanden aus, dem Sie vollumfassend vertrauen können. Denn der oder die Bevollmächtigte erhält eine starke Rechtsstellung.

Sie sollten daher ganz sicher sein, dass Ihr Vertrauen nicht missbraucht wird.

Ebenso wichtig ist, dass Sie mit dem Betreffenden vorab klären, ob er sich als Ihren Bevollmächtigten einsetzen lassen möchte, und besprechen Sie mit ihm, wie er in verschiedenen Krankheits- oder Notfallsituationen für Sie handeln und entscheiden soll.

Damit stellen Sie sicher, dass die Person im Ernstfall nicht überrascht wird und die Aufgabe womöglich nicht übernehmen will. Beachten Sie ausserdem, dass der Bevollmächtigte nach Möglichkeit vor Ort gut erreichbar sein sollte. Jemand, dermehrere hundert Kilometer entfernt von Ihnen wohnt, ist deshalb als Bevollmächtigter weniger geeignet.

In der Praxis ist es oft nützlich, mehrere Personen zu benennen.

Also zum Beispiel sowohl die Ehefrau als auch den Sohn und die beste Freundin. Schließlich ist nicht jeder talentiert, wenn es um finanzielle Dinge geht. Anderen fehlt die Empathie oder das Durchsetzungsvermögen, wenn es um medizinische Behandlungen oder Pflege geht.

Sie können in der Vollmacht auch festlegen, dass mehrere Personen nur gemeinsam entscheiden dürfen. Im Ernstfall führt das aber häufig zu Unstimmigkeiten. Wenn Sie also keinen triftigen Grund dazu haben, ist es meist besser, dass jede Person allein handeln kann.

Wie viel und worüber darf der Bevollmächtigte entscheiden?

Das können Sie selbst bestimmen. Sie können Ihrem Bevollmächtigten eine Generalvollmacht erteilen oder aber einzelne Lebensbereiche benennen, in denen er für Sie entscheiden soll. Am besten listet man die einzelnen Situationen auf und legt für jeden Bereich fest, was der Bevollmächtigte darf und im Ernstfall tun soll.

Die Vollmacht regelt, wer bei Urteilsunfähigkeit des Betroffenen die Entscheidungen trifft.Daniel Kellenberger.

Beispiel Vermögenssorge: Sie können festlegen, ob Sie der jeweiligen Person die komplette Betreuung Ihres Vermögens überlassen oder sie nur ermächtigen, Rechnungen zu stellen.

Missbrauch lässt sich verhindern, indem Sie bestimmte Dinge wie etwa Schenkungen von vornherein ausschließen.

Genaue Absprachen sollten Sie auch für Wohnungsangelegenheiten, für den Rechtsverkehr mit Behörden und Versicherungen, für Posteingänge und natürlich auch für medizinische Fragen treffen.

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie zum Beispiel bestimmen, wer Einsicht in alle Patientenunterlagen nehmen, über gefährliche Therapien oder freiheitsentziehende Massnahmen wie Gitter am Pflegebett oder Fixierung entscheiden darf. Wichtig ist, dass gerade diese Befugnisse ausdrücklich in der Vollmacht enthalten sind, sofern Sie das wollen. Eine medizinische Generalvollmacht reicht dafür nicht.

Welche Vorgaben muss eine Vorsorgevollmacht erfüllen?

Eine Vorsorgevollmacht sollte in schriftlicher Form vorliegen, da sie oft als Beleg verlangt wird. Grundsätzlich kann man das Dokument anhand einer guten Vorlage selbst erstellen. Wer möchte, kann dafür auch ein vorgefertigtes Formular verwenden. Gut gemacht sind unter anderem die Veröffentlichungen des Bundesjustizministeriums.

Die Broschüre Betreuungsrecht vermittelt nicht nur die Grundzüge des Betreuungsrechts, sondern enthält auch ausführliche Informationen zur Vorsorgevollmacht.

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Zudem finden Sie dort zum Download ein vorgefertigtes Formularfür eine Vorsorgevollmacht. Darin sind die einzelnen Lebensbereiche aufgelistet, die Sie ankreuzen können.

Die Vollmacht müssen Sie eigenhändig unterschreiben. Sinnvoll ist, dass auch der Bevollmächtigte unterschreibt, auch wenn dessen Unterschrift rein rechtlich nicht verpflichtend ist. 

Unter Umständen kann eine notarielle Beurkundung oder aber zumindest eine Bestätigung der Unterschrift sinnvoll sein – zum Beispiel, wenn der Bevollmächtigte Bankgeschäfte oder gar Immobilienverkäufe tätigen können soll.

Wann und wie wird eine Vorsorgevollmacht wirksam?

Die Vorsorgevollmacht wird erst gültig, wenn ein Arzt Ihre eigene Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit festgestellt hat. Dann aber greift sie sofort. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Bevollmächtigte das Original der Vorsorgevollmacht vorlegen kann.

Deshalb ist es wichtig, dass Sie die Vollmacht an einem sicheren Ort aufbewahren und sicherstellen, dass das Dokument im Notfall auch auffindbar und verfügbar ist. Ratsam ist dabei, die Vorsorgevollmacht in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und zu dokumentieren, dass sie weiterhin Gültigkeit hat.

«Nirgends anderswo wird so viel Wert auf differenzierte und anspruchsvolle Berichterstattung gelegt, als auf demenzjournal.com. Das Niveau ist stets hoch, dabei aber nicht abgehoben.»

Raphael Schönborn, Geschäftsführer Promenz, Wien

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Hilfreich ist auch, einen Hinweis auf die Vollmacht bei den eigenen Papieren mit sich zu tragen und den eigenen Hausarzt darüber zu informieren, dass das Dokument existiert. Sie können das Original auch bei einem Rechtsanwalt oder einem Notar hinterlegen. Zudem können Sie Ihre Vorsorgevollmacht beim Zentralen Vorsorgeregisterregistrieren lassen.

Kann man eine Vorsorgevollmacht ändern?

Ja. Sie können die Vollmacht jederzeit ändern. Manchmal ist sogar nötig, sie zu widerrufen. Zum Beispiel, wenn sich Eheleute gegenseitig als Bevollmächtigte eingesetzt haben und ein Partner so krank geworden ist, dass er sich nicht mehr um die Angelegenheiten des anderen kümmern kann. Dann sollten Sie alle ausgehändigte Vollmachtsurkunde zurückverlangen und einen anderen Bevollmächtigten einsetzen.