Melanie
Melanie Liebsch ist 34 Jahre alt und arbeitet als Angestellte im öffentlichen Dienst in Stuttgart. Als Melanie zehn Jahre alt war, erkrankte ihr Vater an einer Frontotemporalen Demenz. Lange hatte er jedoch keine Diagnose. Die Verhaltensveränderungen bestimmten allerdings den Alltag der Familie – und belasteten Melanies Kindheit und Jugend. Nach der Diagnosenstellung lernte sie einen selbstbewussten Umgang mit der Erkrankung und begleitete ihren Vater bis zu dessen Tod. Heute engagiert sie sich für andere Angehörige.
Meine Herausforderung
Meine Kindheit und Jugend war durch die Demenzerkrankung meines Vaters dominiert. Die Verhaltensveränderungen fingen an, als ich zehn Jahre alt war. Mein Vater wollte eigentlich nur auf dem Sofa sitzen und seine Ruhe haben. Egal was ich ihm erzählt habe, ob von einer guten Note in der Schule oder vom Chor, er ging nie darauf ein. Bei meinen Freundinnen habe ich erlebt, dass deren Väter zu Chorauftritten oder Veranstaltungen in die Schule gekommen sind. Mein Vater war immer abwesend. Nichts hat ihn interessiert.
Manchmal war ich so sauer und habe ihn angeschrien: »Ist dir wurscht, was mit mir passiert?« Darauf kam keine Reaktion. Ich konnte mir das alles nicht erklären und dachte, dass mit mir etwas nicht stimmt und ich etwas falsch mache. Ich habe mich so allein gefühlt. Meine Geschwister sind deutlich älter und lebten damals schon nicht mehr daheim. Meine Mutter hat auch unter den Veränderungen gelitten. Die Krankheit meines Vaters lag wie ein dunkler Schatten auf ihr.
Ich habe mich angestrengt, pflegeleicht und eine liebe Tochter zu sein. Wie es mir wirklich ging, habe ich nicht erzählt. Aber es wurde immer schwerer zu Hause. Mein Vater hatte ein großes Ruhebedürfnis und das hat oft zu Konflikten geführt. Ich wollte mich ja gerne mit ihm beschäftigen und ihm etwas Gutes tun, aber er wollte das nicht. Im Gegenteil, er wurde unruhig oder aggressiv. Wenn etwas anders als gewohnt ablief, schrie er herum und beleidigte uns.