In endlosen Diskussionen bat ich sie immer wieder, sich untersuchen zu lassen. In der Nachbetrachtung glaube ich, dass sie Angst davor hatte, sie würde das Schicksal ihrer Eltern ereilen, die beide an Alzheimer erkrankt waren.
Ich habe diese Diagnose zunächst komplett unterschätzt.
Ich dachte, wie so viele, meine Frau würde vergesslicher werden oder ein wenig schusselig. Je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr setzten sich große Angst und tiefe Verzweiflung in mir fest. Ich las, dass es keine Heilung gibt. Ich musste mich mit dem Gedanken vertraut machen, mitansehen zu müssen, wie ein Mensch vergeht. Claudia ist mein bester Freund, und es ist schrecklich zu wissen, dass ich diesen verlieren werde.
Das haben wir gemacht
Ich musste mir eingestehen, dass diese Krankheit auch mich aus dem seelischen Gleichgewicht riss. Die Hoffnungslosigkeit nistete sich in meinem Körper ein und wollte 24 Stunden am Tag aus mir herausschreien. Auch deshalb habe ich mich entschlossen, eine Verhaltenstherapie zu machen.
Ich spürte, nur wenn ich in mir ruhe, kann ich meiner Frau helfen.
Dazu musste ich meine Muster erkennen und mich meinen Ängsten stellen. Vor allem der vor der Einsamkeit. Der Gedanke, dass mich meine Frau geistig irgendwann zur Gänze verlassen haben wird, ist für mich unfassbar grausam. Meine Therapie kann die Krankheit nicht aufhalten, aber ich habe gelernt, wie ich in Krisensituationen umgehen kann. Nur wenn man sich selbst kennt, seine Ängste im Griff hat und mit sich im Reinen ist, kann man sich – ohne Vorbehalte – um den anderen kümmern. Ich rate jedem Angehörigen dazu, sich gut um sich zu kümmern.
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Was ich gelernt habe
Unsere Partnerschaft hat sich verändert. Partnerschaftliche Liebe wurde zur Schutzbefohlenheit. Manchmal gleicht sie einem Vater-Kind-Verhältnis. An guten Tagen bin ich voller Demut und freue mich, wenn Claudia glücklich ist. An schlechten Tagen bin ich verzweifelt darüber, dass ich das Wort nicht mehr an den Menschen richten kann, der sie einmal war. Die Zeit wird durch ihre Unkalkulierbarkeit nie wieder zu einem Verbündeten. Anstatt dass der Moment einen dazu auffordert, ihn festzuhalten, spüre ich die stete Angst vor der Vergänglichkeit. Hochgefühl und Traurigkeit bestimmen meinen Tag.