8. August 2010 – Abreise. Stress pur für Paul
Bild: Paul und ich im Flugzeug, ich habe schon seit geraumer Zeit die Führung übernehmen müssen, die Rollen sind nun vertauscht. Doch er sitzt ebenfalls an den Instrumenten, hinter mir, und funkt mir immer drein. Dann muss ich ausbügeln. Bin auf das Flug-Ziel und die Instrumentenbedienung konzentriert, gleichzeitig muss ich sein Dreinfunken ausbügeln.
Die Heimreise von den Ferien verlief harmonisch, auch das Ausladen, Auspacken alles ging gut. Bis … ja eben, ein völliges Desaster geschah. Dass er verwirrt war je näher wir Bern kamen, konnte ich noch recht gut wegstecken.
Mein Tagebuch
Diese Aufzeichnungen sind ehrlich, ungeschminkt, offen und authentisch. Mit der Veröffentlichung im Internet gehe ich bewusst das Risiko des mich (zu sehr?) Öffnens ein – aber mit brennendem Herzen. Meine Notizen zeigen ein eigenes, persönliches und ungeschöntes Bild vom Begleiten meines dementen Partners. Mögen diese Tagebucheinträge Menschen in ähnlicher Situation helfen.(uek)
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Geduldig erklärte ich ihm, dass wir nicht nach Ostermundigen fahren. Es gäbe auch keine andern Kollegen, dass wir allein seien und ich seine Frau sei. Er betrachtete mich als irgendeine, die ihn nun eben nach Hause bringen müsste. Schliesslich erkannte er unser Dorf, die Strasse und das Haus. Aufatmen!
Doch als er seine Medikamente auspackte, war er wie verwandelt. Total entnervt und gestresst fummelte er an den Kästchen herum, kam zu mir, redete auf mich ein, ich verstand nichts. Ich war müde nach der Reise, auch etwas nervös.
Musste einen Zvieri vorbereiten für die Nachbarn. Sie wollten die Bohnen bringen, die sie für uns geerntet hatten. Dazwischen Paul mit seinen vielen Fragen. Langsam verlor ich die Geduld, der ganze Frust des Angebundenseins in den Ferien, das ewige Rücksicht nehmen müssen. Der Verzicht auf eigene Freizeit, die Trauer, der Schmerz, alles kam in mir hoch und ich brüllte ihn wieder einmal an. Und erneut Bauchkrämpfe!
Als die Nachbarn kamen, bestürmte Paul sie mit seinem Medikamentenproblem. Der Nachbar amüsierte sich über die Aufregung von Paul, winkte mir belustigt zu.
Das tut so weh, wenn man über diesen traurigen Zustand eines dementen Menschen lacht und alles ins Lächerliche zieht was er redet oder tut.
Ich kann noch nicht formulieren, was ich empfinde dabei. Paul ist für mich, auch wenn mich sein Zustand bis aufs Äusserste reizt, ein vollwertiger Mensch, ich würde ihn nie verspotten, belächeln oder als minderwertig ansehen.