Nutzen und Grenzen der robotergestützten Pflege - demenzjournal.com
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Pflegemanagement

Nutzen und Grenzen der robotergestützten Pflege

Beim Einsatz von Robotern in Pflegesettings müssen rechtliche und ethische Fragen geklärt werden. PD

Der regelmässige Einsatz von Robotern im Gesundheitswesen ist nur noch eine Frage der Zeit. Gefragt sind eine Strategie zu deren Einsatz und Leitplanken zu ethisch-rechtlichen Fragen. Bei der Entwicklung sollten Pflegewissenschaftler und Sozialwissenschaftlerinnen, Betroffene und Angehörige einbezogen werden.

Die Diskussion über den Einsatz von Robotern in Pflegesettings zeigt ein beachtliches Unbehagen. Man entwirft Orwellsche Szenarien, spricht von «Metall- und Plastikwesen», welche zukünftig «gebrechliche Senioren» betreuen könnten, und davon, dass Angehörige ihre Eltern in Zukunft in «hochautomatisierte Pflegefabriken abschieben» werden.

In der Regel wird in diesen Diskussionen nicht zwischen verschiedenen Typen von Robotern unterschieden. Aktuell befinden sich über 100 Roboter in der Entwicklung oder werden bereits eingesetzt. Erweiterte technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Interessen prägen die Arbeit an Robotern für Pflegesettings.

Die Roboter-Robbe Paro mit ihrem Schöpfer Takanori Shibata.Lea Müller

Der Markt für Serviceroboter im privaten Umfeld weist weltweit jährliche Wachstumsraten von 30 bis 35 Prozent auf. Trotz dieser Tatsache ist der Einsatz von Robotern im Gesundheitsbereich bisher nicht vertieft diskutiert worden.

In gesundheitsbezogenen Datenbanken wie PubMed ist der Begriff «robotics» zwar seit den 1980er-Jahren mit einem Schlagwort  versehen, meint aber moderne Prothesen oder Operationsroboter. Zu Pflegerobotern («care robots») finden sich in PubMed beispielsweise nur Artikel zu sogenannten sozialen Robotern («social robots»).

Die Diskussion über den Einsatz von Robotern findet in einem gesellschaftlichen Umfeld statt, in dem aufgrund der demografischen Entwicklung sowie unzureichend ausgeschöpfter Ausbildungskapazitäten ein zunehmender Mangel an ausgebildeten Gesundheitsfachpersonen festzustellen ist.

Um die Entwicklung von Robotern kritisch begleiten und fachkompetent mitdiskutieren zu können, sind Pflegefachpersonen gefordert, sich vertieft mit der Thematik auseinanderzusetzen und darauf aufbauend ein differenziertes Begründungswissen zu entwickeln und einzubringen.

Typen von Robotern

Bis heute gibt es keine international gültige Klassifikation von Robotern, die im Gesundheitswesen eingesetzt werden. In diesem Beitrag wird eine Unterscheidung in Pflegerobotersoziale RoboterServiceroboter und Telepräsenz-Roboter vorgeschlagen.

Pflegeroboter übernehmen Tätigkeiten bei verschiedenen Lebensaktivitäten. Sie unterstützen Pflegende beim Ausführen von Pflegehandlungen oder führen die Pflegehandlungen autonom – ohne die Anwesenheit einer Pflegeperson – aus.

Bei sozialen Robotern steht die Interaktion zwischen Menschen und Robotern im Zentrum. Die Interaktion kann zu Informationszwecken dienen, der Unterhaltung oder um Emotionen aufzurufen.

Was Komiker Simon Chen über Roboter zu sagen hat:

Quelle alzheimer.ch

Serviceroboter können dazu programmiert werden, Laborproben von einem Ort zum anderen zu transportieren. Sie können Reinigungsarbeiten übernehmen oder Menschen, die zuhause leben, an die Einnahme von Medikamenten erinnern.

Telepräsenz-Roboter können für Videogespräche mit Gesundheitsfachpersonen eingesetzt werden. Dies kann die Versorgung von Personen erleichtern, die in geografisch entlegenen Regionen wohnen.

Im Gegensatz zu Gesprächskontakten über Videotelefonie mittels Computer können sich Telepräsenz-Roboter in der Wohnung von Betroffenen frei bewegen und dadurch auch Aufgaben bei der Entdeckung von Sturzereignissen übernehmen.

«Diese Art von Journalismus hilft Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen. demenzjournal.com ist eine äusserst wertvolle Plattform, nicht zum Vergessen!»

Irene Bopp, ehemalig Leitende Ärztin Memory Clinic Waid in Zürich

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Studien zur Wirksamkeit

Robotergestützte Interventionen wirken sich laut einer Studie positiv auf die Lebensqualität und auf agitiertes Verhalten von Menschen mit Demenz aus. Studien zu tiergestützten Therapien berichten von ähnlichen Erfolgen.

Im Gegensatz zu Robotern sind lebendige Tiere jedoch nicht immer verfügbar, sie benötigen Pausen. Ausserdem können Tiere Ängste auslösen und müssen vor groben Zugriffen geschützt werden. Bei Tieren wie Katzen ist eine Begegnung nur dann möglich, wenn sie dies zulassen.

In einer gross angelegten Vergleichsstudie waren die Wirkungen der Roboter-Robbe Paro und einem Plüschtier vergleichbar, einzig Interaktionen unter Bewohnenden wurden durch Paro stärker gefördert.

Paro kann eine stimmungsaufhellende, stressreduzierende und aktivierende Wirkung haben.

Nüchtern betrachtet liessen sich bislang wenig Wirkungsunterschiede zwischen sozialen Robotern und Plüschtieren nachweisen.

Entgegen der oft geäusserten Meinung, Menschen mit Demenz würden durch Robotertiere getäuscht, gibt es jedoch Hinweise darauf, dass sie Roboter durchaus als etwas Künstliches erkennen, als etwas das Neugierde weckt und auch Freude auslösen kann.

Es wurden bisher keine Studien durchgeführt, welche den Einsatz von Pflegerobotern oder Servicerobotern unter Kosten-Nutzen-Überlegungen heute üblichen Interventionen gegenüberstellen.

Aus Sicht älterer Menschen ist relevant, ob Roboter ihre Unabhängigkeit erhöhen können. Gemäss dem deutschen Bundesforschungsministerium kann sich jede vierte Person vorstellen, durch einen Roboter gepflegt zu werden.

Fachpersonen stehen einem Einsatz von Robotern positiv gegenüber, falls diese sie von körperlich anstrengenden Aufgaben entlasten. Zu den Befürchtungen gehören, dass der Einsatz von Robotern zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen könnte.

Auch wenn in Pflegesettings in der Schweiz bisher erst wenige Roboter im Einsatz sind, wird deren Bedeutung zunehmen. Folgende Aspekte sind bei der weiteren Entwicklung zu beachten:

Rechtliche Aspekte

Verschiedene rechtliche Fragen sind ungeklärt. Wer haftet, wenn eine Person beim Transfer durch einen Roboter verletzt wird?

Wie bei anderen medizinischen Geräten muss erwartet werden, dass Roboter eine Zulassungsprüfung durchlaufen.

Bezüglich des Datenschutzes können möglicherweise Regelungen übernommen werden, die aktuell in Bezug auf elektronische Patientendossiers erarbeitet werden. Allgemein wird bezüglich der Kontrolle über die Gesundheitsdaten der Begriff der informationellen Selbstbestimmung verwendet:

Jede Person muss selbst bestimmen können, wer ihre Gesundheitsdaten einsehen darf und wer nicht.

Ethische Fragen

Menschen müssen die Behandlung durch einen Roboter verweigern dürfen. Bezüglich der Einschätzung, ob ein Einsatz von Robotern ethisch gerechtfertigt werden kann, wird von der Roboterethik die Unterscheidung zwischen Handlungsausführung und Zielsetzung der Handlung vorgeschlagen.

Wenn für eine Patientin die Zielsetzung einer Handlung – beispielsweise der sichere Transfer vom Bett in den Rollstuhl – im Vordergrund steht, ist der Einsatz eines Roboters ethisch gerechtfertigt.

Steht für sie hingegen die Handlungsausführung – unter anderen das Eingehen auf geäusserte Wünsche – im Vordergrund, sollte kein Roboter zum Einsatz kommen.

Kosten

Bei jedem Roboter ist zu fragen, ob dessen Funktionalitäten nicht durch andere, günstigere Angebote mit demselben Ergebnis geleistet werden können.

Überforderung

Es ist noch wenig bekannt darüber, wie viele ältere Menschen sich durch technische Geräte überfordert fühlen. Es gilt zu klären, welche Art der Unterstützung notwendig ist, damit ältere Menschen vom Einsatz von Robotern profitieren können.

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Strategie und Leitplanken

Technische Unterstützungssysteme spielen in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle. Die Frage wird zukünftig nicht lauten, ob Roboter im Gesundheitsbereich eingesetzt werden sollen oder nicht.

Es ist zu fordern, dass die Politik eine Strategie bezüglich des Einsatzes von Robotern ausarbeitet und Leitplanken zu ethisch-rechtlichen Fragen festlegt. Bei der Entwicklung von Robotern dürfen nicht nur Ingenieure beteiligt sein.

Pflege- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Betroffene und Angehörige müssen miteinbezogen werden.

Wesentliches Ziel muss es sein, dass Geräte entwickelt werden, die einen möglichst breiten gesellschaftlichen Nutzen bringen und den Bedürfnissen der Anwendenden Rechnung tragen. Pflegefachpersonen sollten die Entwicklung kritisch, aber auch offen und differenziert beobachtenund sich engagiert einbringen.


Operationsroboter sowie rehabilitative Trainingsroboter sind nicht Gegenstand dieses Artikels.

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift «Krankenpflege» des SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner), Nr.4/2019. Herzlichen Dank an die Redaktion für die Gelegenheit der Zweitverwertung!