Ist der Arbeitsanfall einfach too much? Man verzichtet hier auf ein Patientengespräch, schiebt da den Gang aufs Klo hinaus, macht dort eine Stunde später Feierabend. Meist schwingt auch die Angst mit, andernfalls als unflexibel, wenig belastbar oder gar als für den Pflegeberuf ungeeignet (dis)qualifiziert zu werden.
Das Problem: So wird es sicher nie besser, und damit wird auf lange Sicht weder den Patient:innen noch der Pflege ein Dienst erwiesen. Das System verspürt keinerlei Reformdruck, denn es geht ja anscheinend irgendwie immer!
Juristisch auf sehr dünnem Eis
Mit ihrer im besten Fall gut gemeinten Bereitschaft, bis zur Selbstaufgabe zu arbeiten, bewegen sich die Pflegenden juristisch aber auf sehr dünnem Eis. Denn kommt es überlastungsbedingt zu einem fatalen Vorfall, sind es sie, die sich vor Gericht verantworten und möglicherweise auch noch mit einer Verwarnung oder Kündigung seitens des Arbeitgebers rechnen müssen.
Der fatale Vorfall kann eine Komplikation aufgrund einer verspätet durchgeführten Überwachung sein, oder ein Patient, der aufs WC muss und stürzt, weil es der Pflege nicht möglich war, rechtzeitig auf die Klingel zu gehen.
Tragische Kettenreaktion
Damit sie nicht ganz schutzlos dastehen, stellt ihnen der SBK die sogenannte «Entlastungsanzeige» zur Verfügung. Wie diese funktioniert, zeigt das folgende Beispiel:
Pflegefachfrau Rahel R. ist im Alters- und Pflegeheim «Tannen- blick» angestellt. Zu den Bewohner:innen zählt die schwer demente, motorisch stark beeinträchtigte Frau Sutter. Diese dürfte an sich 24/7 nicht aus den Augen gelassen werden.
Mangels genügend Personals ist dies aber schlicht unmöglich (so sind im Spätdienst für die auf vier Stockwerken verteilten 18 Bewohner:innen eine diplomierte Pflegefachperson und eine Hilfe, im Nachtdienst nur eine FaGe anwesend).
So kommt es in einem Spätdienst dazu, dass Rahel R. von ihrer Kollegin dringend um Unterstützung gebeten wird und Frau Sutter (laut Rekonstruktion der Ereignisse) genau zwei Minuten auf dem WC unbeaufsichtigt lässt.