Übervorteilungen, Erschleichung von finanziellen Vorteilen oder Vorsorgeaufträgen von Familienangehörigen oder Betreuenden sind weitere Konfliktfelder.
Je nach Wohnort der betroffenen Person treten andere Probleme auf.
Genau. Im Heimbereich sind es hauptsächlich Konflikte zwischen den Bewohnenden, Angehörigen und Pflegepersonen oder der Heimleitung, in denen die UBA um Vermittlung angefragt wird. Zunehmend melden sich auch Heimleitungen, die sich mit sehr fordernden Angehörigen konfrontiert sehen.
Bereits angesprochen haben wir das Thema häusliche Gewalt bei Menschen mit Demenz. Gerade längere Betreuungssituationen führen oft zu Streit zwischen Betreuten (z.B. alternden Eltern) und Betreuenden (z.B. erwachsenen Kindern und deren Partnern). Ursache dafür kann eine Überforderungssituation sein.
Abgefedert werden kann das durch eine diagnostische Abklärung und medizinische Begleitung, die den Betreuungsbedarf entsprechend plant.
Das muss mit Fortschreiten der Demenz neu evaluiert werden. Allerdings ist es für pflegende Angehörige nicht immer einfach, Entlastungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen.
Weil der Umgang mit Menschen mit Demenz sehr fordernd sein kann, braucht es eine gute Beratung und Aufklärungsarbeit. Dafür vermitteln wir Anfragenden den Kontakt zu den Alzheimer Sektionen.
Was passiert, wenn eine Beschwerde bei Ihnen eingeht?
Die Anlaufstelle nimmt den Fallinhalt auf und legt ein Dossier an. Dieses geht dann in eine der vier regionalen Fachkommissionen, immer in diejenige Region, in der die betroffene Person lebt.
Eine Fachperson nimmt Kontakt mit der meldenden Person auf und gemeinsam werden dann die nächsten Schritte festgelegt. Wir arbeiten im Vier-Augenprinzip, das heisst, die fallführende Fachperson zieht eine weitere Fachperson zur Beurteilung oder Bearbeitung hinzu.
Fallbeispiel: Suizidgedanken
Frau N. lebt im Ausland und besucht Onkel und Tante zweimal pro Monat. Sie erfährt, dass ihre Tante trinkt und durch den Alkohol gegenüber ihrem Mann aggressiv wird. Der Onkel kann sich nicht wehren, die Situation spitzt sich zu. Der Vorschlag der Nichte, die beiden sollten ins Altersheim ziehen, wird von Onkel und Tante abgewehrt. Als der Onkel einen Suizid andeutet, kontaktiert die Nichte UBA.
In welchen Situationen können Sie gut vermitteln?
Wenn alle an einem Konflikt Beteiligten bereit sind, an der Lösungsfindung zu arbeiten. Schwierig wird es hingegen, wenn in den Konflikt Involvierte die Mitwirkung verweigern.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit der UBA ausgewirkt?
Die UBA hat in der Zeit zwischen März und Juni total 271 Fälle entgegengenommen, davon 127 mit der Thematik Corona. Unsere Tätigkeit hat sich während der ausserordentlichen Lage hauptsächlich auf die Informationsvermittlung, Beratung und Unterstützung von Angehörigen und Bewohnenden von Alters- und Pflegeheimen oder selbständig wohnenden älteren Menschen konzentriert.
Fallbeispiel: Heimeinweisung nach Lockdown?
Herr B., 92, erhielt während des Lockdowns Unterstützung beim Einkauf. Es war für ihn schwierig, diesen Teil seiner Selbständigkeit aufzugeben. Da er davon ausging, es sei vorübergehend, akzeptierte er auch, dass ihm seine Liebsten aus ihrer Sicht ungesunde Lebensmittel vorenthielten. Nach dem Lockdown ist seine Familie nun der Ansicht, ein Heimeintritt sei für ihn das Beste. Das möchte Herr B. keinesfalls.
Wir haben Informationen des BAG sowie der Deutschschweizer Kantone zusammengetragen und gemäss der BAG-Empfehlungen respektive der Verordnungen einzelner Kantone informiert, beschwichtigt und beraten. Das war nicht einfach.
Einerseits wurden wir aufgefordert, für die Rechte älterer Menschen zu kämpfen, andererseits für unsere Haltung zu einer individuellen Lockerung des Besuchsverbots getadelt.
Gerade das Besuchsverbot hat für Aufruhr gesorgt.
Ja. Diesbezügliche Beschwerdefälle haben uns ziemlich gefordert. Übernommen haben wir jedoch nur die Fälle, bei denen die Ausnahmeregelung des BAG hätte greifen können (Besuche sind möglich «bei sterbenden Bewohnenden» und «in besonders schwierigen Situationen»), entsprechende Anfragen von Angehörigen an die Heimleitung aber abgewiesen wurden. In einzelnen Fällen konnten wir individuelle Lösungen finden.
Nun, während der zweiten Welle, werden wir in Bezug auf Besuchsregelungen weniger häufig angefragt. Die Heime stehen auch jetzt wieder vor grossen Herausforderungen, haben aber, wie wir alle, von den gemachten Erfahrungen gelernt und sind somit besser gerüstet.
Wo lagen die Probleme im häuslichen Bereich?
Dort waren Informationsvermittlung und Beratung wichtige Aufgaben. Trotz der Informationskampagne des Bundes fehlte es den Anfragenden an konkreten Informationen zu ihren Problemstellungen, oder es war schwierig für sie, aus der grossen Fülle die richtigen Informationen zu filtern. Viele ältere Menschen haben auch heute noch keinen Zugang zum Internet.
Wie hat sich die Situation auf häusliche Gewalt ausgewirkt?
Häusliche Gewalt bei jüngeren Paaren oder gegen Kinder waren in den Medien präsent. Häusliche Gewalt im Alter wurde indessen nicht angesprochen. Während des Lockdowns wurde ein Anstieg der Gewaltfälle erwartet. Allerdings wurden keine Fälle gemeldet. Weder bei der UBA noch bei anderen Interventionsstellen.
Wir gehen davon aus, dass die gegenseitige Kontrolle aufgrund der ständigen Präsenz von Familienmitgliedern solche Meldungen verhinderte.
Denn der Stress war für pflegende Angehörige mit Sicherheit höher: Tagesbetreuungen waren geschlossen und die Möglichkeiten, sich ausser Haus zu entspannen, waren eingeschränkt. Pflegende und Betreuende waren sich mehr denn je selbst überlassen.
Wie sich die Fallzahlen in diesem Bereich entwickeln, werden die kommenden Monate zeigen.
Lernvideo – Streit in der Familie
Eine Demenzerkrankung führt fast immer zu heftigen Diskussionen in der Familie
alzheimer.ch/Marcus May