Lärm
Frau K. mag es nicht, wenn sie in den Tagestreff geht und im Speisesaal alle durcheinanderreden. Ihre Tischnachbarin sagt, dass sie keinen Rotkohl mag, auch Weihnachten solle man ihr damit bloss nicht kommen.
Pflegerin A sagt, die Sosse gehöre über die Semmelknödel und nicht über die Bohnen. Pflegerin B sagt, sie sollen sich das Essen schmecken lassen. Alle reden ständig irgendetwas, als ginge es um ihr Leben, ein Satz jagt den nächsten.
Vielleicht reden sie auch so viel, um nichts zu vergessen.
Frau K. bemüht sich, ihre Ohren zu schliessen, so wie man die Augen schliessen kann, aber das ist nicht so einfach. Sie versucht sich zu erinnern, wie das geht, die Ohren zu schliessen. Vielleicht braucht man dafür einen Schlüssel, und sie hat ihn verlegt. Es hat auch keinen Sinn, die anderen am Tisch zu fragen, die haben ihre Ohren sperrangelweit geöffnet.
Frau K. stellt sich jetzt vor, dass ihre Ohren durch dicke gepolsterte Türen nach aussen abgeschottet sind. Die Wörter kommen nicht mehr in die Ohren hinein, sondern müssen davor Schlange stehen, sie warten und warten. Irgendwann geben sie auf und verziehen sich. Schliesslich sind sie alle weg. Frau K. freut sich, dass sie es geschafft hat, die Wörter auszutricksen.